Nachdem wir als feministischer Internetblog seit Kurzem auch eine Soko "Gender-Verbrechen" betreiben, die Tag und Nacht nach falsch oder gar nicht gegenderten Plural- oder sonstigen Wortkonstruktionen fahndet, sind wir aktuell in einem sehr prominenten und damit um so erschreckenderen Fall fündig geworden.
Über die Überschrift in der PNP "Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen nominiert" mussten wir zunächst noch schmunzeln. Typisch bayerische Provinzjournalierende – die können nicht mal richtig gendern. In der weiteren Recherche waren wir dann endgültig geschockt. Nicht nur bei den politisch stets korrekten Spiegel-Kolumnist°innen, nein auch bei den links-feministischen taz-Kolleg;-)innen, bei den neoliberal-reaktionären FAZ-Chauvinist+innen sowieso – überall stand dasselbe: "Baerbock wird Kanzlerkandidatin."
Liebe Journalist§innen – was soll das? Jetzt haben wir seit über 15 Jahren eine KanzlerIN und Baerbock will jetzt auf einmal Kanzler werden? Nein, sicher nicht! Baerbock ist KanzlerINkandidatin. Und zwar definitiv Kanzlerinkandidatin und nicht Kanzler:innenkandidatin, weil sie ja nicht entweder Kanzler oder Kanzlerin, sondern ganz bestimmt Kanzlerin werden will. (zur richtigen, fallspezifischen Verwendung von Kanzler:innenkandidatin später mehr)
Wir erhofften uns Bestätigung und Klärung auf der Homepage der Grünen. Wenn einer gendern kann, dann die besserverdienenden Lastenradfahrenden. Weit gefehlt. Zitat: "Annalena Baerbock ist die grüne Kanzlerkandidat:in zur Bundestagswahl 2021." Wie bitte? Kanzlerkandidat:in? Bei Annalena Baerbock handelt es sich – soweit bekannt – um eine einzelne weibliche Person. Warum ist sie dann nicht Kandidatin? Wenn sie Kanzlerkandidat:in ist, bedeutet das doch wohl, dass sie sich ihres Geschlechtes nicht sicher ist oder sich auf keines festlegen will, aber trotzdem weiß, dass sie ein männlicher Kanzler werden will. Sonst wäre sie ja wohl (siehe oben) Kanzlerinkandidatin.
Bisher war ja alles ziemlich einleuchtend, – wie immer hier – gut erklärt und bereits für Gender-Anfänger@innen geeignet. Nun aber folgt die Lektion für Fortgeschrittene. Nehmen wir an, Baerbock und Laschet (vielleicht auch Scholz, aber warum eigentlich) sind bei Markus Lanz, einem weißen alten Mann und Gender-Anfänger eingeladen. Der Moderierende könnte es sich jetzt leicht machen und den CDU-Kanzlerkandidaten und die grüne Kanzlerinkandidatin begrüßen. Aber mit solcherlei Notbehelfen lernen wir richtiges Durchgendern nie. Also wird Lanz sagen: "Ich begrüße herzlich die Kanzler:innenkandidat:innen von CDU und Grünen gemeinsam mit ihren beiden Kanzler:innenkandidat:innenehepartner:innen." Dabei macht er bei jedem Doppelpunkt eine kurze hörbare Pause. Ist nicht schwer, tut nicht weh, kann jeder lernen – wenn er guten Willens ist.
Laschet sei Dank wird ja aus der Kanzlerinkandidatin Baerbock die nächste deutsche Bundeskanzlerin. Dann wird hoffentlich in Berlin mal richtig durchgegendert und baldmöglichst auch ein Bewusstsein dafür geschaffen, wie demütigend, erniedrigend und entwertend es für Frauen sein muss, mit Familiennamen wie männliche Tiere zu heißen. Es gibt noch viel zu tun, Frau Baerinziege!
1 Kommentar:
Semmelnknödeln.
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