OB-Telefon (Ansage): Brrrrrrr, brrrrrrr. Guten Tag. Der Oberbürgermeister ist derzeit leider persönlich nicht erreichbar. Sollten Sie ein Feuer, einen Erdrutsch, ein Hochwasser oder die Invasion von Außerirdischen melden wollen, rufen Sie bitte die 112. Sollten Sie zur Familie oder zum engsten Freundeskreis gehören, bleiben Sie bitte kurz in der Leitung. Sollten Sie Andreas Dittlmann sein, legen Sie bitte einfach auf. Brrrrrrr, brrrrrrr.
Telefon: Ring, ring.
Dem OB seine Frau: Komisch, da läutet wer durch. Entweder bringt Deine Ansage nichts oder doch Familie.
OB: Fünf nach elf. Viel zu früh für Neujahrsglückwünsche. Lass' läuten.
Dem OB seine Frau: Ich geh hin.
OB: Neiiiiiin!
Dem OB seine Frau: Dupper.
Dittlmann: Grüß Gott, Frau Dupper. Ja, ich hab die Ansage schon gehört. Hab auch fast lachen müssen. Es tut mir auch wirklich leid, wenn ich Ihre Silvesterparty störe, aber es ist ...
Dem OB seine Frau: Wichtig? (Flüstert) Herr Dittlmann, ich hoffe wirklich, es ist wichtig. Er hat heute extra niemanden eingeladen, weil er schon befürchtet hat, dass wieder irgendwas passiert und ist deshalb schon den ganzen Tag a bissel grantig.
Dittlmann: Das Risiko geh ich ein. Außerdem kenne ich ihn nicht anders – also anders als aufopferungsvoll.
Dem OB seine Frau: Moment bitte. Jürgen, der Herr...
OB (sich das Telefon an den Kopf knallend): Der Spezi-Trinker? Ja!?
Dittlmann: Genau. Wünsche einen schönen Abend und entschuldige mich für die ...
OB: Danke, gerne. Herr Dittlmann, was ist los? Ich vermute, Sie wollen mir nicht mitteilen, dass ein Papst gestorben ist – das weiß ich nämlich schon. Ansonsten habe ich Gummistiefel an, einen feuerfesten Overall, eine Anglerhose, eine Schwimmweste, eine Warnweste und in jeder Hosentasche hab ich eine Handgranate.
Dittlmann: Ja, ha ha. Das war jetzt fast noch lustiger als ihre Telefonansage. Glauben Sie eigentlich, ich ruf Sie zum Spaß an?
OB: Ich würde Sie mit viel in Verbindung bringen, aber nicht mit Spaß. Sadismus, Langeweile, Feiertagsdepression?
Dittlmann: Wollen Sie es jetzt wissen oder soll ich den Dickl anrufen?
OB: Den Dickl? Den Dickl könnens anrufen, wenn in Heining eine Katze aufm Baum sitzt. Ich dachte, es ist wichtig?
Dittlmann: Ist es wichtig, wenn ich Ihnen mitteile, dass ich den Brand- und Katastrophenschutz in der Altstadt nicht mehr gewährleisten kann und weiterhin Rettungsfahrzeuge mit Kranken oder Verletzten am Durchfahren, bzw. Verlassen der Altstadt mindestens massiv gehindert sind?
OB (schluchzt): Bitte, bitte, Herr Stadtbranddirektor! Sagens halt einfach, was los ist. Brennts?
Dittlmann (seufzend): Herr Oberbürgermeister, wenn Sie mich fragen: So viel Narrische gabs noch nie. Überall Freaks, die sich festgeklebt haben. In der ganzen Stadt.
OB: In der ganzen Stadt? Wo genau?
Dittlmann: Eigentlich überall. Die meisten auch ohne Behinderung. Aber in der Altstadt eben mit ziemlicher Behinderung. Angefangen hat der Küblbeck in der Großen Messergasse, Anfang Residenzplatz.
OB: Welcher Küblbeck?
Dittlmann (atmet tief): Mann... Na, der Küblbeck.
OB: Der ist doch vor ein paar Jahren vom Kreuzfahrtschiff gesprungen.
Dittlmann: Nein. Das war der Küblböck. Daniel Küblböck. Ich red vom Seppi Küblbeck.
OB: Kenn ich nicht. Egal. Blockiert also alle, die die Altstadt verlassen wollen, ab Residenzplatz? Richtig?
Dittlmann: Exakt.
OB: Mein Gott, Dittlmann. Umleitung über Zengergasse, fertig.
Dittlmann: Negativ. Da klebt der mit den Maskenattesten, also vorm Landgericht. Außerdem komm ich da mit der Drehleiter nicht durch.
OB: Gut, dann machts diesen Küblbeck weg.
Dittlmann: Wird schwierig. Der hat sich mit der gesamten Sitzfläche seiner Lederhose auf dem Kopfsteinpflaster festgeklebt.
OB: Schwierig? Einfach! Dann ziehts ihm halt die Lederhose aus!
Dittlmann: Na, wirklich ned. Ich hab Wasserleichen gesehen und was weiß ich was. Da schickens mir bitte ein Sondereinsatzkommando.
OB: Das Problem erscheint mir für einen erfahrenen Feuerwehrchef lösbar. Sonst noch was? Vielen Dank für die Störung und gute Nacht, Herr Dittl...
Dittlmann: Vorm Rathaus klebens auch.
OB: Was? Wie? Wer?
Dittlmann: Vorm Rathaus klebens auch. Mit Kleber auf der Straße. Mehrere. Einer steht in einem verschwägerten Verwandtschaftsverhältnis zu Ihnen.
OB: Vor meinem Rathaus?
Dittlmann: Vor Ihrem Rathaus.
OB: Wir treffen uns in 20 Minuten am Brunnen am Residenzplatz.
Dittlmann: 23.35 Uhr, Wittelsbacherbrunnen, Residenzplatz. Nehmens die Handgranaten mit.
31. Dezember 2022, 23 Uhr 35. Der Passauer Oberbürgermeister stapft mit Mantel und Hut die Innbrückgasse herauf und nähert sich dem Wittelsbacherbrunnen, wo Stadtbrandrat Dittlmann mit mehreren Feuerwehrleuten steht. Ein Stück weiter oben stehen mehrere Demonstranten mit Transparenten, auf denen steht: "Dupper, Du Dackel-Disser" oder "Wer Dackel quält, wird nicht gewählt" sowie "Seppi for OB!" Man hört eine blecherne, sich überschlagende Stimme, offensichtlich aus einem Megafon.
OB: Servus beinand. Wer schreit denn da so?
Dittlmann: Blumen-Seppi, Dackel-Seppi... Was Ihnen lieber ist.
OB: Übeldepp.
Dittlmann: Oder so.
OB: Krieg ich einen kurzen Gesamtüberblick über die Kleber?
Dittlmann: Ich versuchs. Vor ProFamilia klebt ein AfDler mit Bildern von Engeln, Föten und Bischof Oster.
OB: Mir wurscht.
Dittlmann: Am Domplatz kleben irgendwelche Antifa-Feminist – Sternchen – Innen vor den Sektierer – Sternchen – Innen mit einem Transparent "Keuschheit ist Mord". Ohne Behinderung.
OB: Mir völlig wurscht.
Dittlmann: Am Anger, Gehsteig Hängebrücke Nordseite, kleben drei ältere Herren mit einem Transparent, auf dem steht: "Vergessen, senil, zu alt zum Tindern? Da bleibt nur noch: Tunnel verhindern." Ohne Behinderung, also ohne Verkehrsbehinderung.
OB: Sehr gut. Bringts denen noch mehr Kleber.
Dittlmann: Dann kleben noch welche vorm Klinikum, vor den Stadtwerken, im Klostergarten und der Konservengeneral klebt in der Fußgängerzone neben einem ebenfalls angeklebten Hut und pöbelt Passanten an, was eine schlechte Strategie sein dürfte, wenn man eine halbe Million einsammeln möchte, aber egal. Wieder alles ohne Behinderung.
OB: Danke reicht, Herr Feuerwehrpräsident. Gehen wir mal ein paar Meter rüber, bitte. Ich will hören, was dieser Josef Blume-Dackel unentwegt herumschreit.
Seppi (auf der Straße angeklebt, mit schepperndem Megafon): Passau! Ich hab Dich in die New York Times gebracht! Passauer! Ich hab Euch den Tourismus gebracht! Passauer! Ich hab Euch die Kreuzfahrten gebracht! Ich hab das Oberhaus gebaut! Und den Dom! Ohne mich wären die Römer niemals in dieses Dreckskaff gekommen! Passau! Ich hab Dich erfunden! Ich war im Fernsehen! In den Lebenslinien! Ich habe dieses Dreckskaff weltweit bekannt gemacht! Ich...
OB: Herr Dittlmann, das ist doch ein Irrer.
Dittlmann: Das haben jetzt Sie gesagt. Schauen Sie sich die Fans mit den Transparenten an.
OB: Auch Irre. Alles Irre. Gehn wir zum Rathaus.
Seppi: Dupper, Du Drecksack! Du Sklavenhalter! Ich wollte nicht mehr, als dass Du auf den Knien vom Rathaus zum Dackelmuseum rutscht und um Vergebung bittest! Das ist nicht zu viel verlangt für das, was der große Blumen-Dackel-Seppi alles für Euch Provinz-Spießer getan hat! 1076 ist dieser Scheiß-König nach Canossa gekrochen und hat drei Tage um Verzeihung gebettelt. Der war sich auch nicht zu schade! Und Du Provinz-Despot schaffst es nicht einmal, die 150 Meter hier hoch. Schande über Dich, Schande über Deine Sklaven. Ich gehe nach Regensburg und blase Euch Die Lichter aus. Ich bombe Euch zurück in die Steinzeit. Ich werde...
OB: Moment bitte, wartens kurz. Ich glaube, jetzt hau ich ihm eine rein.
Dittlmann: Na, bitte ned. Gehen wir zum Rathaus. Da ist auch genug zu tun.
OB: Also es gibt Momente, da sind Sie mir fast ein bisschen sympathisch mit Ihrer unaufgeregten Art. Ich glaube, wir sollten das alles später mal ...
Dittlmann: Bitte nicht. Too much information. Gehen wir.
PNP-Redakteurin: Guten Abend, Herr Oberbürgermeister, Herr Stadtbranddings. Sie haben sich also hier getroffen, um ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen für und /oder gegen diese störerischen Aufgeregtheiten. Ist das so?
OB: Dittlmann, dua die weg.
Dittlmann: Herr Oberbürgermeister, haben Sie mich gerade geduzt?
OB: Nein, Entschuldigung, ein Anflug von Vertrautheit, Verzeihung.
Mann von seitlich rechts: Grüß Gott schön, brauchts Ihr einen, der sich überall auskennt?
OB: Dittlmann, wer isn er?
Dittlmann: Herr Oberbürgermeister, Sie kennen von 53000 Passauern 52000 persönlich und mit Vornamen. Und den kennen Sie nicht?
OB: Nein. Ist anscheinend nicht wichtig. Sonst dad ich ihn kennen.
Dittlmann: Der Der Shooting-Star von den Frömmlern, der Chor-Guru und Schulleiter von so einer geschlechtsbezogenen Schule ist er auch noch.
OB: Ich hab eine ungefähre Vorstellung. So ein Wichtigtuer?
Mann von seitlich rechts: Gehts weida. Sehr unsakral hier. Wo ist denn der Bischof und die Legislative?
Dittlmann: Die Legislative klebt am Rathaus und seine Heiligkeit plant die Karriere.
Mann von seitlich rechts: Sinds mal nicht so blasphemisch, Feuerwehrmann. Und stehen Sie mal gerade, wenn Sie mit mir sprechen, Sie Hilfskraft Sie.
OB: Jetzt helfen Sie mir amal, Dittlmann, wer ist denn der Clown?
Dittlmann: Dr. Markus Eberhardt. Der steht öfter in der Zeitung als Sie und ich.
OB: Wurscht. Null-Thema. Wurscht.
Eberhardt: Vorsicht. Ich kann hier alles werden. Minister, Oberbürgermeister oder zumindest der neue Holm Putzke.
Dittlmann: Herr Dr. Eberhardt, wir brauchen Sie hier gerade nicht dringend. Und außerdem mögen wir beide keine Akademiker. Ehrlich gesagt hassen wir Akademiker, im Speziellen religiöse. Könnten Sie sich bitte von hier entfernen?
Eberhardt: Wenn i mit meiner Wampn kannt, dann gangad i aufd Kampenwand.
OB: Der Typ nervt. Dua den weg.
Eberhardt: Herr Oberbürgermeister. Wie es Ihr Adlatus gerade festgestellt hat: Ich bin jeden Tag zehnmal in der Zeitung und ich überlege noch, ob ich was Klerikales, OB oder Kultusminister werde, wenn ich groß bin. Mir steht alles offen.
OB: Geh amal mit zum Rathaus, Schullehrer. Dann kannst noch was lernen.
PNP-Redakteurin: Können wir jetzt noch ein Foto hier am Residenzplatz vorm Dackel-Seppi machen? Herr Dupper, Herr Dittlmann, Herr Dr. Eberhardt?
PNP-Redakteurin: Herr Dr. Eberhardt, Sie stehen – wie immer – ein bisschen sehr zentriert. Könnten Sie ein wenig zur Seite....
Eberhardt: Wenn i mit meiner Wampn kannt, dann stand i a amoi am Rand.
Die Gruppe bewegt sich langsam und nach hinten zum Seppi schauend Richtung Rathaus. Ob dort noch der Watschenbaum umfällt, Duppi und Ditti Freunde werden oder Dr. Markus Eberhardt die Weltherrschaft übernimmt, erfahren Sie in Teil 2.
Außerdem: Wo kleben Scheuer, Waschler usw.? Es wird sicher spannend. Und wo ist eigentlich Putzke?