Donnerstag, 15. Dezember 2022

Aktuelle Kolumne aus dem Bürgerblick Dezember 2022

Wir haben noch einen Koffer in Berlin 

Die schönsten Geschichten schreibt immer noch das Leben – abgedroschen, aber wahr. Während die Universitätsstadt Passau meinungsmäßig immer noch von einem Kirchenfürsten drangsaliert wird, der sich auf dem Domplatz seine eigene Kampfsektierer-Truppe hält, aber in heiligem Furor Schwule gerne mit Räubern oder Herzkranken vergleicht und die PNP munter Leserbriefe abdruckt, in denen verwirrte Fundamentalisten fordern, man dürfe die stolzen Katarer (die im Gegensatz zu uns wenigstens noch eine Kultur haben) nicht mit unseren Schwulitäten belästigen, sind die Waidler völlig tiefenentspannt und wählen trans.

In Zwiesel nämlich, einem 10.000-Einwohner-Städtchen im Bayerischen Wald, steht eine Trans-Frau kurz davor, Bürgermeisterin zu werden, bzw. ist es womöglich, wenn Sie diese Zeilen lesen, schon geworden. Ist das nicht lässig? Während am Passauer Domplatz noch diskutiert wird, ob Schwule krank sind, kommt eine Gloria Gray aus München zurück in die Zwieseler Heimat und lässt sich zur Bürgermeisterin wählen (oder zumindest fast – beim Schreiben dieser Zeilen stand die Stichwahl noch bevor). Wir erinnern uns: In Zwiesel ist übrigens auch der ehemalige Landrat Adam geboren, der im Landratsamt nächtliche Poppers-Partys gefeiert hat.

Was ist da los? Ist Zwiesel das San Francisco des Bayerwaldes? Liegts am Dampfbier oder den Tschernobyl-Schwammerln? Oder warum wählt der Waidler gerne schwule Landräte und Trans-Bürgermeister? Stammtischszene: „Hä, Sepp, is dei Bua trans oder schwul? Wejcha Bua? Der hoaßt iatz Loretta. Dafür hot mei Deandl an Mähdrescher g’heirat.“ Ja, ich weiß – der war tief. Aber ich wollte vermeiden, zu woke zu wirken. Solche Sachen darf man eigentlich nur raushauen, wenn man Gloria Gray heißt, die übrigens im PNP-Interview gemeint hat, der „Trend“, dass es auf einmal so viele Trans-Menschen gibt, mache sie „ein bisschen nervös“ und das wäre „unfassbar und ein bissl unglaubwürdig.“ Au weh. Allerdings –wenn es jemand sagen darf, dann sie. Mia san vom Woid dahoam, da Woid is queer.

Unsere Bürgermeister sind nicht queer, sondern vier, aber unverdächtig, queerophob zu sein. Für den Boss kann jeder nach seiner Facon queer werden, solange er keine depperten Anfragen und Anträge stellt oder dazwischenredet. Der Rother hat für sowas leider keine Zeit, weil er schon wieder wohin muss. Der Dickl kennt so jemanden nicht, hat aber nichts gegen diese Personen, solange er solche Sauereien nicht mitmachen muss und die Erika findet das cool: Hauptsach, es rührt sich was und es gibt a Gaudi. Der Mangold muss das bis 2026 noch mal in seinem Keller überdenken. Er ist zwar sehr fromm – aber wenn es der Karriere hilft.

Meine prophetischen Fähigkeiten sind ja seit jeher legendär. In der letzten Kolumne habe ich einen chinesischen Honorarkonsul Scheuer in zwölf Jahren vorhergesehen und – zack – gibt der Mann der Heimatzeitung schon ein Interview als Präsident der Asienbrücke. Klingt stark, oder? Präsident der Asienbrücke. Allein – was soll das sein, die Asienbrücke? Ich bin mal auf die Homepage gegangen und habe Interessantes gelesen: „Asien wird immer wichtiger.“ Klingt ein bisschen so wie der Satz der Ex-Kanzlerin: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Es geht aber bei der Asienbrücke noch weiter: „Vertiefung und Verbreiterung der euro-asiatischen Beziehungen statt Entflechtung sind dringend geboten.“

Spannend! Heißt das, wenn der Andi da jetzt öfter rüber fliegt, dass wir dann irgendwann mal einen Computer aus Japan, ein Auto aus Korea oder einen Pulli aus Vietnam kaufen können? Oder – noch verrücktere Idee – wir verkaufen den Chinesen unsere Audi und BMW? Wenn er das schafft der Andi, dann ist er wirklich der Tausendsassa, für den wir ihn immer schon gehalten haben. Oder frei nach Marlene Dietrich: Wir haben noch einen Koffer in Berlin.


 

Keine Kommentare: