Wenn Fassungslosigkeit die Faulheit überwindet, schafft auch der Präsident es wieder einmal, zu kommentieren.
Ich habe letzten Samstag das Interview mit dem Fanatiker vom Domplatz gelesen und ich muss sagen: Er überrascht mich immer wieder.
Soviel Weltfremdheit, Abgehobenheit und – vor allem zwischen den Zeilen – Bösartigkeit war selten. Dass er so tut, als wäre es normal, am Domplatz eine Zelle von missionierenden Sektierern zu etablieren, kennen wir ja schon. Dass er wieder einmal – ganz subtil zwischen den Zeilen – Geschiedene, Schwule, usw. diskriminiert, ist auch nichts neues. Aber die – wieder zwischen den Zeilen so zu verstehende – Feststellung, dass es falsch ist, das Arbeitsrecht bei kirchlichen Institutionen zu liberalisieren und dass es besser wäre, die Beschäftigten dieser Institutionen, die sonntags nicht in die Kirche gehen, rauszuschmeißen, erreicht eine neue Dimension.
Ich habe als Kind vor meiner Erstkommunion gebeichtet. Ich hatte vorher schlaflose Nächte, panische Angst – ein traumatisches Erlebnis. Ich habe erfahren, dass es diesen abscheulichen Kult immer noch gibt. Die Gesellschaft empört sich über Missbrauch in der katholischen Kirche in den letzten Jahrzehnten. Wer thematisiert eigentlich, dass es diesen tausendfachen Beicht-Missbrauch von Kindern tatsächlich auch immer noch gibt? Und der passiert weiterhin jeden Tag. Gäbe es irgendeine andere Institution, in der Grundschulkinder erwachsenen, zölibatär lebenden Männern ihre "Sünden" beichten müssten, wäre das sofort ein Fall für den Staatsanwalt. Nicht in einer Gesellschaft, in der ein Hetzer wie der Passauer Bischof, von jedermann unkommentiert, Interviews in der Heimatzeitung gibt.
Hierzu eine Prognose: Wenn – vermutlich bald – dieser Bischof weg ist, dann werden alle, wie damals bei Schraml, sagen: Gottseidank. Aber warum sagt es eigentlich jetzt keiner?
Themawechsel (na ja, eigentlich auch nicht so richtig). Es gibt einen Rechtsanwalt namens Ronny Raith. Dieser Rechtsanwalt hat einen Faschistoiden oder Debilen (oder beides – man weiß es nicht genau) verteidigt, der auf Facebook die Klimakleber dergestalt kommentiert hat: "Zammfahrn und Ende". Das bedeutet für jeden, der lesen und denken kann: Überfahren, tot, Ende. Nun meinte der Rechtsanwalt vor dem Amtsgericht Viechtach (sic!), dass diese Aussage nicht nur der Meinungsfreiheit unterliege, – nein – sie entspräche dem, "was sich 80 Prozent der Gesellschaft denkt".
Wenig geschätzter Rechtsanwalt Ronny Raith! Dass Sie demnächst irgendwas werden wollen bei der CSU, der AfD oder der N...AP (ich erwarte gerne Ihre Anzeige – Meinungsfreiheit), ist ja leicht erkennbar. Aber ich weiß nicht, in welcher Gesellschaft Sie sich befinden. Wenn ich erkennen würde, dass 80 Prozent meines gesellschaftlichen Umfelds denken, dass man Andersdenkende totfahren soll, würde ich in die Südsee auswandern oder vom Dach springen.
Aber in Viechtach (sic!) gehen die Uhren offensichtlich ganz anders. Die Viechtacher Richterin (sic!) hat nämlich gesagt, dass "eine solche Aussage am Stammtisch keine Konsequenzen nach sich ziehen würde, in den Sozialen Medien jedoch sehr wohl." Also HH/88 am Stammtisch ist okay, aber HH/88 auf Facebook nicht? Gibts eigentlich in Viechtach eine Lotterie, bei der man zur Rechtspflege zugelassen wird? Ist das die Bildungsmisere oder nur ein besonders schlechter Witz?
Aber nein – der Witz kommt erst. Dr. Ronny Raith wurde promoviert im katholischen Kirchenrecht und macht auch irgendwas fürs Bistum. Und er denkt, dass man Klimakleber überfahren sollte. Guten Abend.