Freitag, 31. Dezember 2010

Angeknarrt und abgebissen (Angeschnauzt und Schnaps gesoffen)

Lieber Tölpel!

Hast Du es gelesen? Unser Verkehrsminister, dem man ansonsten eher addiziert, Geld zu verbraten, indem er schon zu Beginn seiner Amtszeit noch mehr Spitzenbeamte demissioniert hat als die anderen Minister und ansonsten aus Daffke sinnlose Schilder aufstellen lässt, hatte - vielleicht auch alldieweil er sich im eigenen Ressort eh nicht so gut auskennt - die dufte Idee, zumindest in seinem Haus Anglizismen zu vermeiden und sogar rückzuübersetzen. Sein Antrieb bleibt dabei ziemlich unklar. Will er sich nur beim Volk anheischig machen, weil er voller Abgunst auf den Barras-Minister mit der Brillantine im Haar bereits sein Ministerium intrinsisch abandonniert, um als Hans Dampf in allen Gassen zu reüssieren oder hat er einfach nur einen an der Waffel? Grundsätzlich bin ich seinen Schnurren zum Thema deutsche Sprache ja gar nicht so abhold. Nein, ich ästimiere jeden Versuch, der Sprachverhunzung Einhalt zu gebieten. Aber trotzdem hat sich Biedermann Ramsauer ziemlich vergaloppiert, weil es sich beim Rück-Eindeutschen von Begriffen wie Laptop oder Flipchart nachgerade um Albernheiten handelt, die dem wirklichen Problem nicht gerecht werden. So sterben nämlich schleichend wunderschöne deutsche (und eingedeutschte) Wörter und Begriffe aus, die bestimmt nicht dadurch gerettet werden, dass man bereits eingebürgerte Anglizismen in Bausch und Bogen verbannt und Absurditäten wie "Klapprechner" erfindet. Ferner sollte man - wenn schon - klotzen und nicht kleckern und den Laptop gleich Depeschen-Fernschreiber nennen. Und den Ramsauer einen eitlen Stutzer.

Bleiben wir beim Sprachbewusstsein. Es heißt bei uns immer noch "sich über etwas Gedanken machen" oder "über etwas nachdenken", auch wenn der Karl Christian vergangenen Dienstag auf einer halben Seite ungefähr 27 mal das fürchterliche DDR-Idiom "etwas andenken" benutzt hat. Außerdem frage ich mich, warum wir einerseits immer seltener unsere schönen süddeutschen Redewendungen benutzen und andererseits Schrecklichkeiten wie "sich einen Kopf machen" oder "Da bin ich ganz bei Ihnen," nachplappern. Mir ist schon klar, dass sich unsere Sprache verändert und dass unsere Kinder nicht mehr Kanapee und Bürgersteig sagen, von Ottomane und Trottoir ganz zu schweigen. Aber dass man dafür zum Kaffee (bzw. Coffee oder Caffè) togo (gibts in Togo Kaffee?) mittlerweile sowohl Leberkäsbrötchen als auch Leberkäsbaguette bekommt, ist schon ein Zeichen ziemlicher Verblödung.

Apropos Verblödung. Heute lese ich in der PNP, Rubrik Pop-Kultur, dass im Jahr 2010 neben dem unsäglichen Quäck-Backfisch Lena Lieber-Skorbut ein Graf Koks namens "Unheilig" die Nation inkommodiert hat und nicht etwa einen Preis für den saudümmsten Bandnamen eingeheimst, sondern tatsächlich die Charts (früher Hitparade) erstürmt hat. Ich habe da ja fast das ganze Jahr gebraucht, um zu registrieren, dass dieser Volltrottel, der uns mit Unerträglichem wie "Wir war'n geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit," regelmäßig im Radio quält, ziemlich erfolgreich ist, weil ich sowas natürlich immer sofort wegschalte. Andererseits brauchst Du bloß die heutigen Standesamtlichen Nachrichten in der PNP anschauen und wirst mit mir gemeinsam befürchten, dass mit den jüngst geborenen Cassandra Melody Scharonnas, Finnleys oder Jolene Amys die Anhänger-(heute: Fan-)Gemeinde solcher Kultur-Abhut eher noch größer werden wird.

Unser Dorfschulze, der Oberjürgen, hat uns heute im PNP-Interview übrigens klipp und klar die Meinung gegeigt, was in diesem Jahr eher Seltenheitswert hatte. Das Konzerthaus ist die nächsten Jahre kein Thema mehr, das, "was herumgebaut wurde", trifft nicht unbedingt das ästhetische Empfinden jedermanns, die Donaubrücke ist "sehr klar gesehen" gestorben, die Seilbahn kann er sich im Gegensatz zu einer politischen Diskussion mit seinem Schwager vorstellen und ansonsten findet er seine Untergebenen und sich selbst knorke.

Was hast Du denn bei Deiner letzten Telefonumfrage herausgefunden, mein Tölpel, fragt sich, ins Neue Jahr vorglühend

Deine Kathi

Liebe Kathi!

Bei meiner letzten Telefonumfrage habe ich herausgefunden, dass 89 % aller Passauer eine Brücke von ihrer Garage zu einem überdachten Privatstellplatz in der Innenstadt wünschen, 92 % aller männlichen Stadträte BDSM-Phantasien mit Party-feiernden BWL-Stu(den)tinnen haben, 100 % aller Vize-Bürgermeister an einem Vollbart-Neid leiden und 78 % aller PNP-Redakteure die jahrelange Gehirnwäsche im katholischen Religionsunterricht nicht richtig verarbeitet haben. Außerdem habe ich eruiert, dass 1,6 % aller Passauer gerne noch mehr Ich-war-dabei-Stories der hier ansässigen Staatssekretäre in den Medien haben wollen, 100 % aller Hausärzte der Meinung sind, dass es total ungerecht ist, wenn sie weniger verdienen als die Bundeskanzlerin, 17 % aller ÖDP-Stadträte glauben, dass Jesus alles ganz genauso gemacht hätte und 37 % aller Innstädter beschlossen haben, in der Silvesternacht einen Herzinfarkt zu bekommen, um ein Zeichen zu setzen.

Provinz ist, wenn man trotzdem lacht. Da wird in Passau seit Jahren über Kreisverkehre diskutiert, nur weil etwelche Käffer im Landkreis auch schon seit geraumer Zeit welche haben. Also nichts gegen Kreisverkehre. Ich war im Sommer in Frankreich und habe in zehn Tagen sicherlich 100.000 passiert. Allerdings verstehe ich überhaupt nicht, warum man für ein Schweinegeld ausgerechnet in der Neuburgerstraße solcherlei "andenkt". Da läuft doch alles wie am Schnürchen. Ich finde, man sollte eher über eine Geschwindigkeitsanhebung auf 70 km/h in der Leonhard-Paminger-Straße "nachdenken". Und wenn es nur deshalb ist, dass sich die Anwohner ärgern.

Der Silbereisen hat ja besoffen in der Altstadt herumkrawallt. Das möchte ich zum Anlass nehmen, um wieder einmal an ein von unserem gottgleichen Präsidenten ausgelobtes Kopfgeld zu erinnern. Jeder, der einen nächtlichen Vandalen in flagranti und schmerzhaft zur Strecke bringt, erhält aus einem Wahlinfo-Passau-Sonderfonds 100 Euro bar auf die Hand. Sollte es sich bei dem Vandalen um Silbereisen, Faltmoppel oder eine sonst mehr oder weniger bekannte Visage handeln, wird die Prämie auf 200 Euro aufgestockt. Für Frankenberger oder einen von der Jungen Union gibts 150 Euro. Deal (früher: OK)?

Zum Jahresabschluss will ich abschließend ein wichtiges Thema ansprechen. Quasi als Synonym für die Unzulänglichkeiten der PNP hatten wir uns 2010 als Sündenbock den Klotzek auserkoren. Das war - aus der Retrospektive - falsch. Ein Irrtum, ein Fehler, grundfalsch. Lieber Jörg Klotzek, wir haben uns geirrt. Sie sind der Beste! Echt wahr!

Rosch ha-Schana

Euer einzig wahrer Tölpel

8 Kommentare:

Tölpel hat gesagt…

Neuburger Straße. Die Tölpel-Kopie kann einfach keine Straßennamen richtig schreiben. Fürchte, dass wird sich auch im Jahr 2011 fortsetzen.

Andenker hat gesagt…

Ein Gutes Neues, ihr fachlich wie menschlich geschätzten Erbsenzähler.
Das Wörtchen "angedacht" fiel nur einmal im Text und einmal in der Bildunterschrift! Und das glaub ich, ist für einen deutschen Text - ganz im Sinne unseres Herrn Verkehrsministers - eine verträgliche Quote. Und apropos Erbsenzähler: Mit Neuburger Straße hat der Vorkommentator Recht - mit seiner "dass"-Variante im Rüffel wohl eher nicht...

wahlinfo-passau hat gesagt…

Und einmal im Kommentar dazu. Guten Rutsch!

Der Jörgl hat gesagt…

Lieber Original-Tölpel, wer wird denn 2011 der PNP-Sündenbock? Wenn der das schon jetzt wüsste, dann könnte er/sie vielleicht schon mal bei Simone um einen längeren unbezahlten Urlaub ansuchen.

Ausblick hat gesagt…

Auch ein hübscher Beitrag:

http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Bayern/Artikel,-Das-Wunder-von-Linz-_arid,2333478_regid,2_puid,2_pageid,4289.html

Verfasst von Till Hofmann

Alleskönner hat gesagt…

Till Hofmann...noch einer der alles kann. Und wenn die Uhrzeit nicht gefaked ist, dann hat die PNP Fränkis Ausflug 10 Minuten früher gemeldet als der Präsidentenblog. Ich sach mal 0:1. Von den PNP-Lesern fragen sich jetzt allerdings viele: Will Fränki wirklich in die Politik oder wird er lieber Bischof von Passau, wenn der Willi nach Altötting ins Exil geht.

Oh mei, die Landkreisler hat gesagt…

Der Präsident macht stets zutreffende Bemerkungen über die Unterschiede zwischen Stadt und Landkreis. Ein Blick in die PNP vom Montag liefert weiteres Material: Die Unterschiede zwischen Stadt- und Landkreis-Neujahrsbabys sind zum Schreien typisch.

Observer hat gesagt…

Ich sehe da keine so großen Unterschiede...