31. Dezember 2024, 23 Uhr 37. Der Passauer Oberbürgermeister sitzt im Halbdunkel auf einem Stuhl und starrt auf sein Festnetz- und das daneben liegende Mobiltelefon. Er trägt schwarze Lederschuhe, sein Mantel hängt über der Stuhllehne. Hut, Schal und Handschuhe liegen ebenfalls auf dem Telefontischchen.
OB (murmelnd): Komisch, nur noch 20 Minuten bis Mitternacht und kein Anruf. Komisch is des.
Dem OB seine Frau (aus dem Hintergrund): Geh, Jürgen, jetzt wenn Du schon nicht feiern magst und kein Feuerwerk sehen magst, dann gemma halt lieber ins Bett.
OB: Dem Dittlmann wird doch nix passiert sein!?
Dem OB seine Frau: Du magst ihn doch eh nicht.
OB: Ich mag die alle nicht, aber darum gehts nicht.
Dem OB seine Frau: Geh zu, Du magst doch nicht alle nicht.
OB: Nein, manche mag ich noch weniger.
Dem OB seine Frau: So ein Schmarrn, irgendeinen wirst doch mögen.
OB: Nein, sie sind alle so dumm und ich bin ihr Chef.
Dem OB seine Frau: Dann hör halt auf.
OB: Spinnst? Wer solls denn machen?
Mobiltelefon: Brumm, brumm.
OB: Was ist denn des für eine Nummer?
Mobiltelefon: Brumm, brumm.
Dem OB seine Frau: Na, der Dittlmann wirds halt sein. Geh hin.
OB: Dupper.
Frauenstimme: Äh, hallo, hier ist die Stefanie Auer.
OB: Was?
Auer (deutlich): Auer. Stefanie Auer.
OB: Warum?
Auer: Hä?
OB: Ist was mitm Dittlmann. Ist ihm was passiert, um Gottes Willen?
Auer: Na na, dem selber ist nix passiert, der steht neben mir. Er hat aber keine Hand frei, deshalb soll ich anrufen.
OB: Keine Hand frei? Wird des jetzt wieder a Quiz, oder was? Erwürgt oder erschlägt er wieder grad jemand?
Auer: Na, ned ganz. Er hoit mit da oana Hand an Urban am Ohrwaschl und mit da andern an Holm.
OB: Kenn ich nicht. Wer soll des sein?
Auer: Na, an Mangold und an Putzke hoid.
OB: Noch amal ganz langsam... Der Dittlmann hält den Mangold und den Putzke am Ohrwaschl fest?
Auer: Exakt.
OB (mit freudiger, sich überschlagender Stimme): Hams wos ozündt? Super, perfekt. Aufpassen, Auer, ich sag das jetzt einmal. (Flüsternd) Der Stadtbranddings soll die zwei fliehen lassen und sie dann bei der Verfolgung aus Versehen überfahren. Verstanden?
Auer: Ach, Schmarrn, de ham doch go nix ozündt.
OB (seufzend): Schade.
Auer: Sie sollen den Radlertunnel zugemauert haben. Also teilweise. Also behauptet der Dittlmann.
OB: Der Mangold und der Putzke haben den Radlertunnel zugemauert?
Auer: Ja, ich glaubs nicht. Aber der Dittlmann behauptets. Soll ich die Polizei rufen?
OB: Null! I brauch koa Polizei. Vorerst...
Auer: Und jetzt?
OB: Des schau ma uns an. Bin gleich da. Und niemanden anrufen! Verstanden?
Auer: Ja, ja.
Als der OB am südlichen Tunneleingang erscheint, trifft er auf folgendes Szenario: Der Tunneleingang ist bis auf eine Höhe von gut zwei Metern zugemauert. Davor stehen ein Betonmischer und eine Schubkarre, daneben liegen ein paar Ziegelsteine und Zementsäcke. Etliche Stadträte tummeln sich kopfschüttelnd und gestikulierend vor der Mauer.
OB (zu Auer): Des gibts doch nicht. Ich hab doch deutlich gesagt: niemanden anrufen! Ist des leicht so schwer, einfach immer das zu machen, was ich sage?
Auer (kühl): Ich habe keinen von denen angerufen. Die sind einer nach dem anderen eingetrudelt und haben alle dasselbe gesagt.
OB: Was?
Auer: Dass sie nur nachschauen wollten, dass nix passiert. Tunnelwache quasi.
Ortner: Also Profis waren des ned. Servus, Jürgen!
Reischl: Na, des waren sicher koane Profis. Servus, OB!
OB (entgeistert): Wos machts denn Ihr do? Miassts Ihr ned ins Bett?
Ortner: Den Tunnel wollt ma bewachen.
Reischl: Genau, den Tunnel bewachen.
OB: Hat ja gut funktioniert.
Reischl: Geh weida, Jürgen, wer hätt denn denkt, dass den wer zuamauert?
Ortner: Genau. Böllern, schießen, sprengen, aber nicht zumauern. Oder Sepp?
Reischl: Genau, Alois.
OB (verschwörerisch): Könnts Ihr mir an ganz an wichtigen Gefallen tun?
Ortner: Eh klar, Jürgen.
Reischl: Freile.
OB: Könnts Ihr Euch vor die Mauer stellen und aufpassen, dass die keiner anlangt? Also sichern quasi... Dass nix passiert...
Ortner: Sowieso, mach ma.
Reischl: Kannst Di auf uns verlassen, Jürgen.
OB: Woaß i doch. Danke, Alois. Danke, Sepp!
Dittlmann: Ham Sie jetzt für mich auch amal Zeit oder wird des hier mehr so a Rentner-Plausch?
OB (blickt über Dittlmanns Kopf nach oben): Was haben Sie da über Ihrem Kopf?
Dittlmann (schaut hoch): Mei oh mei. Des is die Drohne vom Putzke.
OB: Die Drohne vom Putzke?
Dittlmann (nickt): Genau, die Drohne vom Putzke.
OB: Herr Dittlmann, ich verstehe schon wieder kein einziges Wort. Warum haben Sie eine Drohne vom Putzke überm Kopf und wo sind die zwei Verbrecher eigentlich? Ham Sie sie ins Auto eingesperrt? Gefesselt? Das wäre jetzt die einzig akzeptable Antwort.
Dittlmann: Die Drohne ist über meinem Kopf, weil er scheinbar immer noch beleidigt ist. Und nein, ich hab sie nicht eingesperrt. Der Putzke macht Spurensicherung und der Mangold telefoniert mit irgendwem von der PNP.
OB: Spinnts Ihr jetzt alle? Warum laufen die zwei Verbrecher frei rum und mich glotzt diese Drohne an?
Dittlmann (verlegen): Ich hab überreagiert. Die zwei warens nicht. Die könnens nicht gewesen sein.
OB: Was? Natürlich können sie es gewesen sein. Die zwei können alles gewesen sein. Und wenn nicht – warum ham Sie die dann ewig am Ohrwaschl festgehalten?
Dittlmann: Weil ich halt überreagiert hab. Als ich vorbeigefahren bin, hab ich fast das Steuer verrissen, weil ich die Mauer und zwei verdächtige Gestalten gesehen hab. Die standen direkt am Betonmischer. Dann bin ich aus dem Auto raus...
OB: Mit dem Hackl...
Dittlmann: Ja freilich mit dem Hackl. Also aus dem Auto raus und hin, "Stehen bleiben" geschrien und ihnen die vorläufige Festnahme erklärt. Nachdem der Mangold fliehen wollte und der Putzke mich mit seiner Drohne genervt hat, habe ich sie dann kurzentschlossen am Ohrwaschl gepackt und festgehalten. Ja, und dann ist die Auer gekommen und hat Sie angerufen.
OB: Und warum waren sie es jetzt doch nicht?
Dittlmann: Erstens habe ich bemerkt, dass Kleidung und Hände komplett sauber waren. Zweitens hat mir der Putzke eine zwar völlig irre, aber plausible Geschichte erzählt und diese drittens mit einem Film seiner Drohne belegt. Und viertens hat er gesagt, wenn ich ihn jetzt sofort auslasse, drückt er ein Auge zu und wenn nicht, macht er mir das Leben zur Hölle.
OB: Was für eine...
Ortner: Du, Jürgen, der Putzke weigert sich, die Zweimeter-Sperrzone vor der Mauer zu verlassen und macht dauernd Fotos und schabt irgendwas ab und hat so Klebestreifen und Tüterl. Darf der des?
Reischl: Des derf der ned, oder?
Dittlmann: Doch, darf er. Der macht Spurensicherung.
Ortner: Aber er ist frech geworden.
Reischl: Total frech.
OB (gequält lächelnd): Was hat er denn gesagt?
Ortner: Dass wir nicht befugt wären, die Mauer vor ihm zu sichern.
Reischl: Und dass mir koa Zwoamedda-Sperrzone errichten derfadn.
Dittlmann: Dann sagts ihm einen schönen Gruß, dass Ihr des alles schon dürfts und dass er aber eine Ausnahmegenehmigung vom OB und vom Stadtbrandrat hat. Und er soll nimmer frech sein. Abtreten!
Reischl: I sog zu dem gar nix. I ignorier den ned amoi.
Ortner: I a ned.
OB: Kein Problem. Aber bitte weiter die Mauer sichern.
Ortner: Ok, Jürgen.
Reischl: Mach ma, eh klar.
OB: Also, Herr Dittlmann, die Geschichte bitte.
Rother: Servus, Griaß Eich! Also der Putzke hat mir grod a völlig irre Gschicht erzählt.
OB: Was für eine Geschichte?
Rother: Na, wer die Mauer baut hod.
OB: Sagens amoi, Herr Stadtbranddings, bin ich jetzt dann der Letzte, ders erfahrt?
Dittlmann: Ich kann nichts dafür, wenn Ihre Rentnergarde dauernd stört. Also... der Putzke ist hier hergekommen, um nach dem Rechten zu sehen. Ziemlich gleichzeitig mit dem Mangold. Und dann stand da eben schon diese Mauer. Und nachdem man nicht rüber schauen konnte, hat Putzke seine Drohne in den Tunnel fliegen lassen. Und auf der anderen Seite der Mauer lagen zwei Leitern. Und dann hat er die Drohne durch den Tunnel geschickt. Und dann...
Mangold: Herr Oberbürgermeister! Ich fordere Sie hiermit vor Zeugen auf, den Stadtbrandrat unverzüglich zu entlassen. Er hat mich körperlich misshandelt und mich der Freiheit beraubt.
OB: Hod wer wos gsogt?
Rother: I hob nix ghört.
Dittlmann: I a ned.
Mangold: So eine ehrverletzende politische Flegelei habe ich in 32 Stadtratsjahren nicht erlebt.
OB: Diese Knallerei ist fürchterlich. Man versteht kein Wort.
Rother: Ferkelei hab ich verstanden.
Dittlmann: Ich auch. Populistische Ferkelei.
OB: Ah so. Nein, Herr Mangold, ich habe jetzt wirklich keine Zeit, über Ihre Bürgerbegehren zu reden. Schreibens mir einen Brief.
Mangold: Das hat ein Nachspiel. Die Presse ist informiert. Ich wünsche Ihnen ausdrücklich kein gutes Neues Jahr.
OB: Schade. Also, Herr Dittlmann. Ich will jetzt diese Geschichte hören.
Dittlmann: Gut. Auf der anderen Seite der Mauer lagen zwei Leitern. Offensichtlich sind die Täter mit der einen hier rauf und mit der anderen drüben runter. Dann hat Putzke seine Drohne durch den Tunnel geschickt. Und tatsächlich – drei Gestalten entfernten sich hastig vom nördlichen Tunnelende Richtung Freyunger Straße. Die Drohne hat die drei sogar erreicht, überholt und gefilmt.
OB: Sehr gut. Jetzt bin ich gespannt. Kann man die Gesichter erkennen?
Rother: Bei dem Licht sicher nicht.
Dittlmann: Doch. Dem Putzke seine Drohne ist selbstverständlich High End.
OB: Mensch, Stadtbranddings, jetzt sagens halt endlich, wers war.
Dittlmann: Es waren Micky Maus, Minnie Maus und Donald Duck.
Fragen über Fragen. Hat Dittlmann berauschende Substanzen konsumiert? Wo bleiben eigentlich die ganzen anderen Bürgermeister? Wo die Hilfs-Abgeordneten? Schaffen es Statler und Waldorf, die Mauer zu sichern? Und natürlich: Wer hat diese Mauer errichtet?
5 Kommentare:
Genialer Start der Geschichte!
Mir fehlen die intellektuellen Schwergewichte der CSU: Dickl, Waschler und Heisl.
War ja auch erst der Teil 1. Waschler war wer noch mal?
Das ist doch Fiktion? Oder wirklich so passiert?
Das passiert erst noch.
Kommentar veröffentlichen