Montag, 17. Februar 2020

Die Marathon-Frau

Teil 3 der PNP-Serie über die Passauer OB-Kandidaten – Heute: Stefanie Auer, Die Grünen
Wenn sie einen Raum betritt, dann fällt sie auf. Im zweiten Stock im Schöffberger, einem kleinen Café nahe des Doms, ist das nicht anders. Als sie die Treppe raufkommt, fallen sofort ihre schlohweiß gefärbten Haare auf, die ihr Gesicht einrahmen wie ein Helm. Ihr roter Wams und die schwarzen Stulpenstiefel lassen die Frisur noch gleißender wirken, genau wie das schwarze Piercing in ihrem Lippenbändchen, das hervorblitzt, wenn sie lacht. 


Hier, zwischen Englisch sprechenden Studenten, Nierentischen und Prozellannippes an der Wand, wirkt die junge Frau zugleich fehl am Platz und genau richtig. Ein benachbarter Gast aus dem Steinweg, der gerade wieder einmal wahllos Leute anpöbelt, mustert sie von oben bis unten: "Hä, Prinz Eisenherz, gehst in Fasching?" Mitleidig sieht sie ihn an: "Mach kein Auge, Oida, Lachkick. Trigger mich nicht." Das ist Stefanie Auer von den Grünen, Passaus jüngste OB-Kandidatin.

Eine waschechte Passauerin ist die 33-Jährige. Das merkt man, wenn sie spricht. Am Donnerstag stand sie bei der großen Podiumsdiskussion mit ihren sieben Kontrahenten am Rednerpult. Auer und Christa Tausch waren dabei die Einzigen, die Bairisch geredet haben. „Das ist für mich ganz normal“, sagt sie. „So reden wir hier eben.“ (Anmerkung des Lektorats: Kann Jürgen Dupper auch Nicht-Bairisch reden oder war der nicht dabei?)

Ihre ganze Jugend hat sie in ihrer Geburtsstadt verbracht. Am Inn rumliegen, Zeugs rauchen, Bierdosen nach Nazis werfen oder Wände anschmieren – was man halt als Jugendlicher in der Kleinstadt so macht, wenn man sich gerne die Haare färbt und Frenula pierct. 

Nach dem Abitur entscheidet sie sich für den Journalismus. Leider landet sie bei der PNP.„Irgendwann“, schüttelt es sie, „habe ich mich aber gefragt: What the fuck...?“

Ab 2009 studiert sie Rechtswissenschaften in München. Das habe viel mit dem Journalismus gemein, findet sie: „Für den Journalismus kann man faul und doof sein, für Jura halt nicht mehr faul.“

Während des Studiums lernt sie ihren späteren Ehemann kennen, aber nicht in der Stadt, „sondern – ganz klassisch – auf einer Party“. Und zwar in Hengersberg. Beide einte von Anfang an ein Faible für die Musik, auch wenn es in diesem Fall eher seltsame Musik war: „Es lief 'Komm ma lecker unten bei mich bei' von Eisenpimmel in Endlosschleife. Wir haben dazu total eng getanzt und zärtlich geknutscht.“ Ihr Liebeslied lief dann sogar bei der standesamtlichen Trauung, „seitdem fahren Oma und Opa auf jedes Eisenpimmel-Konzert“.

Ein Jahr nach Studienbeginn kehrt sie als fertig ausgebildete Rechtsanwältin nach Passau zurück. In einer Partei ist sie da noch nicht. Ihr politisches Engagement beginnt erst, als 2016 ihre Hanfpflanze an saurem Regen stirbt und ihr ein wildfremder Mann in der Kneipe unaufgefordert die Tür aufhält. Da sei ihr klar geworden: „Ich muss mich engagieren.“

Nur dreieinhalb Jahre später wählen die Passauer Grünen sie zur OB-Kandidatin. „Genau das zeichnet uns aus“, findet Auer, „kaum sind die zwei alten Schlachtrösser und der Bärtige rausgebissen, fällt uns schon wieder neuer Quatsch ein.“

Anstrengend sei er schon, der Wahlkampf, auch der weitere Aufbau ihrer eigenen Kanzlei laufe derzeit nur „mit Handbremse“.

Doch Auer mache das nichts aus: „Ganz im Ernst: Wenn Sie Ihre Mutter im Gartenhäcksler geschreddert, 1,8 Millionen Steuern hinterzogen haben oder sich von Jeff Bezos scheiden lassen wollen, kommen Sie dann zu mir? Da gehen Sie doch zu einem richtigen Anwalt. Und von den ganzen Gratlern mit Prozesskostenhilfe kann ich nicht leben. Jetzt werde ich halt Oberinnenbürgerinnenmeisterin."

Auch daran, dass sie − 33 Jahre jung, Frau mit gefärbten Haaren – so gar nicht dem Klischee eines niederbayerischen Bürgermeisters entspricht, verschwende sie keine Gedanken. Das schlägt sich auch in einem ihrer großen Wünsche für Passau nieder: ein diverser, queerer, gegenderter, Pogo tanzender Stadtrat ohne alte Säcke. „Der Unterbau muss jünger und weiblicher sein“, fordert Auer. „Junge weiße Frauen statt alter schwarzer Männer – also ersteres natürlich auf die Haarfarbe und zweiteres auf die politische Ausrichtung bezogen," grinst Auer. "Warum engagieren sich ein Dickl oder ein Scheuer eigentlich nicht im Seniorenbeirat statt im Stadtrat?"

Das Gespräch ist beendet, Auers Arbeitstag geht weiter. „Jetzt geht’s erst mal zum Inn. YOLO!" Stefanie Auer braucht ihre Entspannungsphasen.



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