Montag, 5. Juli 2010

Ausgeraucht und abgefeiert

Lieber Tölpel!

Heissa, jetzt hat er noch einen Beruf. Allein bei der heutigen Zeitungslektüre stoße ich auf "ehemaliger Student", "Notfallseelsorger" und "staatlich geprüfter Fremdenführer" in gleich mehreren Städten. Nach eigenem Bekunden wird er jetzt auch noch oberster EU-Nichtraucherschützer. Mir ist im übrigen das Ergebnis ziemlich egal, ich habe nur ein Problem mit dem Volksentscheid als solchem. Wenn man nämlich, was unser Tausendsassa gestern gefordert hat, noch öfter das Volk entscheiden lassen würde, würde die Politik bald nur noch von den besseren Propaganda-Profis bestimmt. Der Herr Notpolitiker sollte sich vielleicht mal überlegen, was denn passieren würde, wenn das Volk den Bundespräsidenten wählen könnte. Dann hätten im Osten der Republik der Sing-Nazi und die linke Psycho-Amsel gemeinsam über 50 %. Obwohl - dann sollen sich die ihren eigenen Präsidenten wählen und wir könnten wieder einen König haben. Sonnen(stich)könig - würde gut zu seiner Frisur passen.

Interessanterweise haben in der Heimatstadt des Sonnenstichkönigs unterdurchschnittlich wenige mit "Ja" gestimmt. Insofern ist es vielleicht ganz gut, wenn er sich eher Richtung EU orientiert - da kennen sie ihn noch nicht so. So gesehen ist es vielleicht auch ganz gut, dass die Passauer nicht den Kelheimer Landrat wählen durften. Sonst hätte der FW-Mann dort vielleicht ein 99-Prozent-Ergebnis erzielt.

Wenn ich mir heute in der Zeitung die Fotos der beiden "Nein"- und "Ja"-Aktivisten so anschaue, sehe ich meine Forderung nach einer Monarchie (zumindest in Bayern) visuell untermauert. Der eine sieht aus, als wäre er als kleiner Bub in ein Bierfass gefallen, der andere wie Jack Nicholson in Shining, kurz bevor er dann total durchdreht. Wenn das die Protagonisten der direkteren Demokratie sind, will ich lieber alles so lassen, wie es ist.

Andererseits ist es so, wie es ist, auch ziemlich bescheiden. Jetzt haben wir einen Bundespräsidenten, der - ein paar dienstliche und private Affären auf dem Buckel - gemeinsam mit seiner tätowierten Frau und Peter Maffay (!) seinen Einstand auf Bellevue feiert. Vielleicht ist die Schwarz-Rot-Goldene-Feier-Nation doch bald reif für einen Präsidenten namens Beckenbauer oder Heino. Und zukünftig gibts dann bei jedem Sieg der Nationalmannschaft oder auch nur vom FC Bayern einen Autocorso und es ist dann nicht mehr sozial auffällig, nachmittags mit nacktem Oberkörper und Bierflasche durch die Straßen zu laufen, sondern gesellschaftlich akzeptiert. Denn wenn sich betrunkene Kinder vor Einbruch der Dunkelheit aus lauter Nationalstolz mitten auf der Straße in den Armen liegen, stärkt das das Zusammenhörigkeitsgefühl sicher mehr als das Rauchen in Eckkneipen. Jetzt sind jedenfalls wir Feier-Weltmeister - und nicht mehr die doofen Südamerikaner.

Bei dieser ganzen positiven Einstellung zum Feiern darf man natürlich unschöne Randerscheinungen medial nicht überbewerten. Wenn zwei junge Männer aus Begeisterung über die Bundespräsidentenwahl und/oder die Erfolge unserer Fußballer aus lauter Überschwang am ZOB Fahrgäste und Busfahrer angreifen und dann auch noch auf Polizisten losgehen, reicht schließlich auch ein Winzigbeitrag in der Regionalpresse. Dafür gibt es mehrere Sonderseiten über den Geburtstag des Bischofs und Deutschlands Feier-Elite, die nun auch einmal zwischen Mai- und Herbstdult die Sau rauslassen kann. Panem et circenses!

Deine Kathi

Liebe Kathi!

Was wirst Du denn so missmutig sein? Ich freue mich schon auch, wenn wir nach den Bomber-Harris-Fans und den T-Bone-Züchtern jetzt auch noch die Spanaken und die Rudi-Völler-Attentäter wegschießen. Aufgefallen ist mir allerdings, dass nicht alle unserer Jung-Idole die Nationalhymne mitgesungen haben. Hat das einen politischen Hintergrund oder ist die bestehende Hymne grammatikalisch und syntaktisch einfach zu schwer? Vielleicht sollte man sie, um dem aktuellen Bildungsniveau eher gerecht zu werden, einfach umschreiben? "Blüh in diese krasse Glück..." oder einfach: "Ich liebe deutsche Land..."

Themawechsel. Das Passauer Donauufer bekommt jetzt doch kein Geländer, sondern nur Schilder. Was wird da dann wohl draufstehen? "Hineinfallen verboten" vielleicht oder "Untertauchen für Lungenatmer lebensgefährlich"? Ist jetzt dann unter der Hängebrücke und der Marienbrücke auch das Rauchen verboten? Fragen über Fragen... An der Ortspitze wird auf jeden Fall ein "Ballspiele verboten"-Schild aufgestellt. Das sollte man aber hoch genug machen - nicht dass man es bei Hochwasser nicht sieht. Und an den Brunnen am Ludwigsplatz kommt ein Schild "Bei waagrechtem Feiern Ertrinkungsgefahr!"

So wie es derzeit aussieht, bekommen wir wohl keine neue Donaubrücke. Unser Ex-MdL, der als Leitender Akademischer Direktor momentan stark in ein "hochinteressantes Forschungsprojekt" eingebunden ist, hätte zwar gern eine, um einfach mal wieder was zu bauen. Unser Oberjürgen hätte auch gern eine, damit der Kelch Weltkulturerbebewerbung an ihm vorüber geht und die Betonierer aus dem nördlichen Landkreis müssen sowieso andauernd irgendwo hin. Und am liebsten fahren sie über Brücken. Nach Westen, nach Süden - Hauptsache brumm brumm.

Panem et circenses et mobilitatem. Oder: Navigare necesse est.

Brumm brumm

Dein Tölpel

16 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Noch mehr Berufe aus der Süddeutschen: Installationskünstler, Aushilfsreligionslehrer.

Anonym hat gesagt…

Und - Moment: Senator.

Anonym hat gesagt…

Was die Geschichte wirklich ärgerlich macht: Hier zimmert ein Nachwuchspolitiker (unterstützt von den Medien, die bei der Suche nach der immer ausgefalleneren Story dankbar auf Schaumschläger reagieren) an seiner Karriere als Profi-Politiker...

Vielleicht haben es inzwischen einige in Passau begriffen (soviel zu dem abweichenden Ergebnis in Passau). Im Rest der Republik wird die Geschichte vom David, der Goliath besiegt gerne weiterverbreitet.

In der Frage des Nichtraucherschutzes kann man ja durchaus unterschiedlicher Ansicht sein. Ich bin nicht zur Abstimmung gegangen (zum ersten Mal) - diese Show-Politik ist eine Säule der Politikverdrossenheit in unserem Land und eine Besserung ist nicht in Sicht. Da kann man den Beginn einer Berufspolitikerkarriere eindrucksvoll miterleben. Brauchen wir tatsächlich solche Leute als Volksvertreter (egal ob im Stadtrat, im Land- oder Bundestag oder sonst irgendwo)?

Anonym hat gesagt…

Nein braucht man natürlich nicht.
Was man aber auch nicht braucht sind Leute, die nicht mal hingehen und sich anschließend über das Ergebnis beklagen.

Anonym hat gesagt…

Die Süddeutsche verrät noch einen Beruf unseres Politkometen: Sohn von Mama

Anonym hat gesagt…

Pseudo-Seelsorger feiert inneren Reichsparteitag - da geht doch noch was!

Anonym hat gesagt…

Gerüchten zufolge bastelt der Studienabbrecher und Polit-Mega-Profi in Zusammenarbeit mit einer Prager Universität an einer Doktorarbeit (fast 20 Seiten dick!). Man lernt schließlich von den Besten.

Weiß der Präsident eigentlich, dass derjenige, von dem er vermutet, er wäre als Kind in ein Bierfass gefallen, ein hochrespektabler CSU-Bezirkstagskandidat aus Hundsdorf und einer der Wortführer pro Nordtangente ist? Manche sagen sogar: ein potentieller Kobler-Nachfolger, falls dieser irgendwann (2019?) sein Ost-Direktmandat hergibt.

wahlinfo-passau hat gesagt…

Der Präsident weiß alles.

William Wallace hat gesagt…

Mir ist eine Bevölkerung suspekt, die sich freiwillig staatlichen Zwänden unterwirft! Eine Gesellschaft von Untertanen, die sich selbst mit einer demokratischen Wahl eingesteht, dass sie unfähig ist selbst zu entscheiden was sie sich aussetzten möchte und was nicht. Die Freiheit ist so ein hohes Gut unserer Demokratie und wir werfen sie Stück für Stück weg, als wäre sie uns unlieb und diejenigen, die dafür gekämpft haben, nichts wert.
Die Frankenberger dieser Welt fühlen sich mit so einem Volksentscheid doch jetzt bestätigt, dass die Bevölkerung keine Wahlfreiheit will, sondern einen starken Vaterstaat, der seinen Bürgern sagt wie sie zu leben haben.
In 10 Jahren stimmen wir darüber ab wieviel Gramm Fett jeder Bündesbürger pro Woche im Grillfleich zu sich nehmen darf, ohne dass er aus dem Gesundheitssystem ausgeschlossen wird.
"Dein Herz ist frei, hab den Mut ihm zu folgen"

Anonym hat gesagt…

Stimmt, William! So haben wir das alle ja noch gar nicht betrachtet!

Auch die NSDAP haben sich die freiheitshassenden Deutschen selbst gewählt, sich nach einer starken Führung und nach restriktiven Vorschriften sehnend.

Selbst mit Einführung des Parlaments musste zunächst unbedingt noch ein Kaiser her. Auch in der Geschichte davor die gleichen Parallelen: Die germanischen Thingwahlen, die feudalstaatlichen Kaiserwahlen, ja selbst die Eurovisions- Supermodel- und Superstarabstimmungen auch heutzutage eine einzige Suche nach dem großen Supervisor!

Der hintertriebene Frankenberger hat diese Obrigkeitssehnsucht nutzend ein ganz anderes Ziel vor Augen, als nur den Nichtraucherschutz - die Weltführerschaft! Heute Bayern, morgen Deutschland, dann die EU und schließlich die ganze Welt soll ihm zurufen:

"SALVE SUPERVISOR!"

Dann tragen alle einen Zopf, so wie früher alle ein Bärtchen hatten ...

Anonym hat gesagt…

FIDES FRANKENBERGER!

Anonym hat gesagt…

Ich weiß gar nicht was ihr alle gegen den Frankenberger habt? Natürlich ist der durchgeknallt, und? Lieber von gesellschaftlichen Normen gefesselte Status Quo-Bewahrer als Volksvertreter? Da steht der CSU wohl ein Aufschwung bevor...
Das Anliegen der Nichtraucher ist ja auch nachvollziehbar. Der Grillfreund kann sich für fettiges Fleisch oder nur die Salatbeilage entscheiden. Der Nichtraucher zwischen 18 und 38 kann in Passau nirgendwo hingehen, mit gleichaltrigen Feiern, und dabei nicht passiv Rauchen. Das ändert sich jetzt mit dem Volksentscheid.
Das haben die letzten immer noch nicht kapiert: keiner will anderen eine gesunde Lebensweise vorschreiben. Wenn sich mein Tischnachbar im Wirtshaus die 12. Halbe bestellt, toleriere ich das und kann trotzdem nüchtern nach Hause gehen. Wenn aber jeder um mich herum raucht, kann ich mich dem bisher nur entziehen, wenn ich zu Hause bleibe. Ich will anderen nichts verbieten, ich möchte aber in meiner Entscheidung des Nichtrauchens respektiert werden.
Jetzt tun alle so, als würde die Welt untergehen, des is doch a Schmarrn...

William hat recht hat gesagt…

Du willst keinem Deinen Willen aufzwingen und bestehst aber darauf, dass es nur noch Nichtraucherkneipen gibt. Das ist mal schlüssig und einleuchtend formuliert...
Nur der Form halber- ändern tut es sowieso nichts mehr: Wenn es offensichtlich -was ich nicht glaube- nur Raucherlokale für Leute zwischen 18 und 38 in Passau gibt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass es offensichtlich mehr Raucher beim Weggehen gibt als Nichtraucher. UND, dass es sich bisher für keinen Gastronomen gerechnet hat ein reines Nichtraucherlokal zu eröffnen.
Was jetzt erreicht wurde ist, dass es KEINE Möglichkeit für Raucher mehr gibt beim Weggehen zu rauchen. Sehr tolerant!!!

Anonym hat gesagt…

Viel Rauch um nichts

Anonym hat gesagt…

Absolute Zustimmung. Ein äußerst seltsamer und diktatorischer Toleranzbegriff! Aber hier ging es ja eigentlich gar nicht um den Schutz der Nichtraucher, sondern um eine persönliche Zurschaustellung. Der Beitrag in der Süddeutschen ist da äußerst aufschlußreich. Aufmerksam durchlesen und es bleiben keine Fragen offen. Der Nichtraucher-Messias kündigt seinen Parteifreunden an, dass er nicht mehr in die zweite Reihe zurücktreten wird. Vielmher sei er derjenige, der das ÖDP-Häuflein entscheidend voran bringen könnte. Da sollte wohl der eine oder andere schon zittern ...

Anonym hat gesagt…

Also mir sind da irgendwie "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" in den Sinn gekommen ...