Mit meiner Weißwürstel-Weizenbier-Bretzel-Geschichte im Mai habe ich offensichtlich einen Nerv getroffen. Selten wurde ich öfter auf ein Kolumnen-Thema angesprochen als hierzu. Außerdem nervt es offensichtlich auch noch andere Einheimische der Generation X von Kulturfremden der Generation Z aus Kre- oder Bitterfeld mit einem laut-fröhlichen „Servus“ angesprochen zu werden. Wobei man es denen eigentlich gar nicht vorwerfen kann – sie haben es halt nicht anders gelernt. Schuld sind nämlich die Locals, die, statt den jungen Menschen klarzumachen, dass man zwar „Servus“ sagen kann, wenn man gemeinsam Schweine hütet, Fußball spielt oder Bier trinkt, aber nicht, wenn man ein Geschäft betritt, unterwürfig mit ebendiesem, eher unter Freunden üblichem Gruß, antworten.
Kulturelle Aneignung gepaart mit willfähriger Unterwerfung – ja, das gibt es auch bei uns. Warum hat eigentlich noch nie eine der gehirngewaschenen Heulsusen, die sich über Dreadlocks tragende Europäer aufregen, die kulturelle Aneignung auf der Wiesn oder der Maidult angeprangert? Warum darf ich keinen Sombrero tragen, die ganze Welt aber Dirndl und Lederhose? Apropos Dult und dürfen. Man darf zur Maidult keine Katze mitbringen. Man darf als Eltern zwar mit vier Mass Bier intus einen Säugling über die Dult schieben, aber keinesfalls eine Katze mitbringen. Das war der PNP auch den fettesten Artikel wert. Nicht die zahlreichen Körperverletzungen, nicht der Raubüberfall auf eine Touristin, nein: „Mit Katze im Rucksack auf Passauer Dult: Foto auf Facebook sorgt für Empörung.“ Es gibt schon wirklich schlimme Sachen auf der Welt.
Genau zehn Jahre ist es her. Also nicht die große Flut. Die schon auch, aber um ein Zeichen des Optimismus zu setzen, haben wenige Tage nach dem verheerenden Hochwasser nicht nur der Verfasser dieser Zeilen, der Schaffner Ritschie und der Strigler Kurt geheiratet (natürlich nicht die drei sich gegenseitig, was heutzutage ja ganz normal wäre, sondern die drei jeweils verschiedene Frauen), sondern auch der Präsident der Asienbrücke und beste Verkehrsminister aller Zeiten, Mister Ich-Erinnere-Mich-An-Gar-Nichts, hat sich kurz vor dem Hochwasser (nach ihm die Sintflut) vermählt (was ja bekanntermaßen häufiger als im Zehn-Jahres-Zyklus stattfindet).
Ebenfalls ziemlich genau vor zehn Jahren hat eine Mehrheit der Passauer in einem Bürgerentscheid den Radlertunnel durch den Georgsberg mit 73 Prozent abgelehnt. Das ist insofern bemerkenswert, weil eben exakt zehn Jahre später genau jener Tunnel als quasi alternativlos (wie man heute so schön sagt) beschlossen wurde und zwar obwohl er sich bereits in der Planung schon erheblich verteuert hat und sich bis zur Fertigstellung vermutlich noch mehrfach exorbitant verteuern wird. Um das schöne Wort „alternativlos“ aufzugreifen – es gibt doch schon zwei Tunnels. Zwei Tunnels mit vier Fahrspuren. Kann man denn wirklich nicht einen Teil dieser beiden Röhren den Radfahrern widmen, endlich die LKW vorher abfangen und das ersparte Geld für den dritten Tunnel in verbesserte Busverbindungen und ein funktionierendes Park-And-Ride-System stecken?
Ach so, ich Dummi, das brauchts ja gar nicht, denn der Radlertunnel wird ja gefördert. Den zahlen doch die Steuerzahler in Bremerhaven, Hoyerswerda und Berlin Neukölln. Oder, um mit Andi zu sprechen: Die Steuergelder sind ja nicht weg, die hat jetzt nur ein anderer. Jetzt muss ich aber trotzdem irgendwie aus der Nummer rauskommen, um nicht der Passauer AfD das Wort zu reden, für die Radfahrer dreckige Kommunisten sind oder mich mit den Dreien von der Krankstelle zu solidarisieren, bei denen vor allem der pensionierte Studiendirektor mit den Initialen HJ heraussticht, der auf seiner Facebookseite gerne mal giftamhimmel.de oder Petr Bystron zitiert. Wem das übrigens alles nichts sagt – einfach mal auf Facebook, der Plattform für radikale Geronten nachschauen und feststellen, wie viele, sonst nirgends identifizierte, Irre es gibt. Das wird man doch noch sagen dürfen.
2 Kommentare:
Wonach muss man denn googeln, um zu eruieren, wer der "pensionierte Studiendirektor" ist?
Fragen reicht. Heinz Jakob.
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