Samstag, 1. Januar 2022

Der Exorzist, Teil 2

Teil 1 lesen Sie unter diesem Beitrag.

31. Dezember 2021, 23 Uhr 20. Als der Passauer Oberbürgermeister durch die Carlonegasse den Domplatz erreicht, stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Im nordwestlichen Teil des Platzes befinden sich gut 100 Demonstranten mit Kerzen und Transparenten und skandieren schwer Verständliches. Bundespolizisten riegeln von allen Seiten den Zugang zur Mitte des Platzes ab.

Bundespolizist: Sie können hier nicht durch.

OB: Ich kann hier ganz bestimmt durch. Ich bin der Oberbürgermeister der Stadt Passau.

Bundespolizist: Gehens bitte heim und behinderns nicht unsere Arbeit. Der Herr Oberbürgermeister ist nämlich schon da.

OB: Das kann schlecht sein, weil der Oberbürgermeister bin ich.

Bundespolizist: Weisen Sie sich amal aus.

OB (murmelnd): Ich glaubs nicht, dass mich ein Franke nicht auf meinen Domplatz lässt. (Grantig:) Da bitte, mein Ausweis.

Bundespolizist: Dupper? Ja und? Da steht nichts von Oberbürgermeister.

OB: Was steht denn bei Ihnen im Ausweis? Komiker?

Bundespolizist: So, jetzt glangts. Ich erteile Ihnen hiermit einen Platzverweis.

Dickl (herbei eilend): Lassts ihn durch, lassts ihn durch. Der gehört zu mir.

OB: Was ghör i?

Dickl: Äh, entschuldige, Jürgen. (Zu den Polizisten gewandt:) Lassens ihn bitte durch. Das ist der Herr Oberbürgermeister.

Bundespolizist: Was? Ich dacht, des sind Sie?

OB (drohend): Hast Du denen gesagt, Du bist der Oberbürgermeister?

Dickl: Nein, bestimmt nicht. Das haben die höchstens falsch verstanden.

Bundespolizist: Freilich hat er das gsagt. Er hat gsagt, er ist hier der Chef und hat die Allgemeinverfügung über die öffentlichen Versammlungen erlassen. (Flüstert zum Kollegen:) Und deshalb stehen wir mitten in der Silvesternacht irgendwo am Arsch der Welt rum und halten a paar durchgeknallte Niederbayern in Schach.

OB: Das hab ich gehört.

Bundespolizist: Ist doch wahr. Die Freaks feiern Silvester mit am Exorzismus, die komischen Spaziergänger meinen, der Feuerwehrchef will sie zwangsimpfen, der wiederum verdrischt die Leut, a jeder will Bürgermeister sein und jetzt müss ma dann wahrscheinlich wieder a paar Klimawinsler vom Baum runter holen. Die ticken doch alle ned sauber hier.

Polizistenkollege (flüstert): Dupper. Ich hab ihn googelt. Des is der Oberbürgermeister.

Bundespolizist: Gehens durch. Und machens nicht noch mehr Ärger.

OB: Pass auf, Bürgermeister Dickl. Über Deine Amtsanmaßung red ma später. Aber was war des mit der Zwangsimpfung und dem Dittlmann?

Dickl: Alles nur Missverständnisse, Jürgen. Aber des soll Dir der Dittlmann erklären. Den Andern hab ich schon allen Bescheid gesagt.

OB: Welchen Anderen?

Dickl: Bürgermeister, Abgeordnete, Presse.

OB (atmet tief): Super, Achim, vielen Dank.

Dickl: Armin. Armin, Jürgen.

OB: Is scho recht. Geh ma.

OB und Dickl gehen über den Platz Richtung Home Base.

Demonstrantenchor: Ihr kennt nur die Impfquoten, wir kennen die Impftoten. 

Dittlmann (mit einer Kübelspritze in der Hand zu den Demonstranten): Ich booster Euch weg, Ihr Hirntoten. 

Passauer Polizist: Jetzt hör halt auf, Andreas. Des eskaliert doch immer mehr.

Demonstrantenchor: Dupptatur, Dupptatur.

OB: Was schreien die?

Dickl: Ich glaub: Dupper vor.

Dittlmann: I glaub ned.

OB: Herr Dittlmann, von Ihnen hört man ja schöne Sachen. Ich hab zwar die Räuberpistole vom Dickl nicht ganz verstanden, aber Sie können sicher zur Erhellung beitragen. 

Dittlmann: Schönen guten Abend. Des glaubt uns sowieso keiner.

Demonstrantenchor: Wer hat uns verraten? Freie Demokraten!

Dittlmann (zu den Demonstranten): Jetzt fallt gleich wieder der Watschenbaum um.

OB: Freie Demokraten? Wen meinen denn die?

Dittlmann: Stimmt eigentlich.

OB: Also, was ist passiert?

Dittlmann: Angefangen hat angeblich alles mit unkeuschen Gedanken. Da in dieser, äh, Betschule sind ja Burschen und Mädel miteinander internie..., äh, untergebracht. Und dann ist das bei zwei von denen vor kurzem mit diesen unkeuschen Gedanken losgegangen.

OB: Herr Dittlmann, haben Sie zum Saufen angefangen? Sie fabulieren.

Dittlmann: Einfach zuhören, bitte! Dann hat ihnen wohl ihr – die einen nennen ihn Meister, die anderen Stimme des Herrn oder einfach der große O – also ihr Obermufti erzählt, dass er als ganz junger Jünger auch manchmal unkeusche Gedanken gehabt hat. Und wenn die mit Rosenkranzbeten nicht weggegangen sind, hat er es mit Selbstgeißelung probiert und wenn das auch nichts geholfen hat, dann halt mit Exorzismus.

OB: Kommens bitte, bitte auf den Punkt.

Dittlmann: Na ja, das wolltens halt dann ausprobieren und weil sie es sich beim Auspeitschen und Teufelaustreiben ein bisserl kuschelig machen wollten, haben sie überall Kerzen aufgestellt und dann hat halt der Vorhang angefangen zu brennen. Und statt einen Eimer Wasser zu nehmen, habens dann die Feuerwehr angerufen.

OB: Und dann sind Sie gekommen.

Dittlmann: Genau. Ich war ziemlich schnell da. Da sind da drüben (deutet verächtlich zu den Demonstranten) schon a paar Narrische mit Transparenten gestanden und da drin (deutet aufs Haus) hats a bissel brennt. Ich hab gleich gesehen, dass des nicht so wild ist. Und dann bin ich mit der Kübelspritze rein, hab den Brand gelöscht und mir noch die Geschichte vom großen O und dem Exorzismus angehört. 

Dickl: Warum denn mit der Kübelspritze, Andreas?

Dittlmann: Mei, Wasserpistole hab ich keine dabei gehabt.

OB: Jetzt weiß ich immer noch nicht, warum sie dann anschließend Leute verdroschen haben.

Dittlmann: Nix verdroschen. Mir ist halt die Hand ausgerutscht.

Dickl: Du hast aber große Hände, Andreas.

OB: Warum, Dittlmann, warum?

Dittlmann: Ich bin also mit der Kübelspritze wieder rausgekommen und hab festgestellt, dass die Demonstranten vorgerückt waren. Ein paar von denen haben sich relativ weit meinem Auto genähert. Das mag ich nicht so gern. Dann hab ich mich mit der Kübelspritze hingestellt und geschrien: Brauchts Ihr eine Abkühlung? Tja, und dann ist es eskaliert.

Dickl: Super, Andreas. Hast sie weggespritzt?

Dittlmann: Ganz anders. Einer hat geschrien "Da ist Impfstoff drin!" und dann wollten mir zwei die Kübelspritze entreißen.

OB: Lassens mich raten. Das mögen Sie nicht so gern, wenn Ihnen jemand Ihr Feuerwehrspielzeug wegnimmt?

Dittlmann: Nein, gar nicht. Ich hab die dann weggeschubst.

Passauer Polizist: Weggeschubst... Weggeschubst ist gut, Andreas. Der eine hat an Jochbeinbruch und der andere einen Nasenbeinbruch.

Scheuer (von schräg hinten herantretend): Geile Geschichte. Hi Folks. Damit kommst Du auch einmal ins Fernsehen, Stadtbranddings.

Dickl: Servus Andi. Super, dass Du da bist.

OB: Was soll jetzt genau daran super sein? Für was brauchen wir jetzt akut einen Berliner Hinterbänkler?

Scheuer: Mei, Herr Oberbürgermeister. Dass ich besser ausschau als Sie, ist nicht unser einziger Unterschied. Sie kommen nie aus Ihrem Provinzkaff raus und mir liegt die Welt zu Füßen.

Dickl: Jetzt hörts zum Streiten auf. Du bitte auch, Andi. Weißt, als Bürgermeister muss man nämlich auch Moderator sein. 

Flisek: Servus beinand. Genau Armin, sehr gut. Immer staatsmännisch bleiben. Oder Jürgen?

OB: Absolut Achim. Du trägst eine Riesen-Verantwortung! 

Dickl: Armin.

OB: Genau, Armin. Als Bürgermeister ist man ja eine Respektsperson.

Dickl (euphorisch): Genau! Wahnsinn, Andi, oder? Früher warst Du Minister und ich nur Stadtrat, na ja, auch immerhin schon Fraktionsvorsitzender. Und jetzt bin ich Bürgermeister und Du bist bloß noch...

Scheuer: Was bin ich? Ha, Armin?

Dickl: Nein, ich wollts anders sagen. Entschuldige Andi. Du hast ja immer gewusst, dass aus mir was wird. Und jetzt samma – irgendwie – auf Augenhöhe, oder Andi?

Scheuer: Aha, na dann. Auf Augenhöhe – ganz bestimmt, Armin.

Flisek: Apropos Augenhöhe, Armin. Der Rother kommt.

Rother: Griaß Eich. Des war jetzt komisch bei den Bundespolizisten. Ich hab gsagt, lassens mich bitte durch, ich bin der... Und dann hat der Bundespolizist gesagt: Ich weiß schon, wer Sie sind, Herr Oberbürgermeister.

OB: Komisch, ja.

Rother: Die Erika kommt übrigens auch gleich.

Träger: Huhu. Des war jetzt komisch bei den Bundespolizisten. Ich hab gsagt, lassens mich bitte durch, ich bin die... Da hat der Polizist gesagt: Lassen Sie mich raten, Sie sind auch Bürgermeister. Und dann hat er mich traurig angeschaut und gesagt: Gehens einfach durch, Frau Bürgermeister. Krass oder? Dass mich die Bamberger kennen... Warum sagt mir eigentlich wieder keiner, dass am Domplatz a Party ist? Habts Ihr schon was zum Anstoßen?

Dittlmann: Die Party ist vorbei, Erika. Hätt Dir gefallen – was mit Peitschen und Exorzismus.

Träger: Depp. Dein Freund Putzke kommt übrigens auch gleich, Armin. 

Dickl: Du weißt genau, dass der Putzke nicht mein Freund ist, Erika. Außerdem hat der hier nichts verloren. Ich erteil ihm sofort einen Platzverweis.

Putzke: Einen wunderschönen guten Abend, verehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Bürgermeister...*...innen. Haben Sie es gehört? Ich hab das Gendersternchen gesprochen – war aber nur Spaß. 

Dickl: Sie haben nicht das Recht, hier spazieren zu gehen, Herr Professor Putzke. Verlassen Sie sofort meinen, äh, unseren Domplatz. Spazierengehen ist verboten – auch für Sie.

Putzke: Mensch Armin, ich geh doch gar nicht spazieren – ich walke. Außerdem war das gerade lustig bei den Bundespolizisten. Ich hab gefragt, ob ich mal durch kann und dann meinten die, selbstverständlich Herr Bürgermeister. Die scheinen mich zu verwechseln.

OB: Fragt sich nur mit wem.

Putzke: Ich habe ihm dann erklärt, dass ich Professor bin, wie ich meinen letzten Strafprozess gewonnen habe, was ein Kreisvorsitzender für Aufgaben hat, dass ich Triathlon mache und habe ihm meine Facebook-Seite mit den vielen Fotos von mir gezeigt. Daraufhin hat er zu schluchzen angefangen und mich angebettelt, einfach still zu sein und durchzugehen. Er würde mich auch gerne mit Herr Oberbürgermeister ansprechen, wenn ich nur wegginge. Versteht Ihr das? Ist das irgendwie ein Running Gag, den ich nicht kapiere?

Dickl: Das muss an Dir, äh, an Ihnen liegen, Herr Putzke. Ich erteile Ihnen hiermit einen Platzverweis.

Putzke: Ach Armin, mach Dich nicht lächerlich, ich kann Dir mal einen 400-seitigen Aufsatz von mir über die Zulässigkeit von Platzverweisen schicken. Aber lassen wir es doch gut sein und begraben das Kriegsbeil im neuen Jahr. Außerdem kann ich als Strafverteidiger überall hin und womöglich braucht der Herr Stadtbrandrat einen Strafverteidiger. Um Gottes Willen, diese Hände. Furchterregend! Da ist nichts mehr mit Körperverletzung. Da sind wir schon beim versuchten Totschlag.

Dittlmann: Nehmen Sie die Advocard?

Putzke: Äh, eher nicht, nein.

Dickl: Hörts Ihr des? Sehts Ihr des? Raketen, Böller.

Rother: Haben wir des ned verboten?

OB (zuckt mit den Schultern): Ich hab den Überblick verloren.

Dittlmann: Also dann. Ich fahr heim, bis die nächsten Irren was anzünden. Wünsche ein gutes Neues Jahr. Abschlussfrage: Wer weiß denn eigentlich, wer der große O ist, der uns das alles eingebrockt hat.

Flisek: Keine Ahnung. Ich frag nächste Woche den Sturm. Der hat einen Eintrag in seinem Handy: Großer O.

OB: Des machst. Gut Nacht alle miteinander! Und Du Achim, bleibst da und bist für den Rest der Nacht für alles hier verantwortlich.

Dickl: Echt Jürgen? Danke, Jürgen! Ich werd Euch nie enttäuschen!

Rother (flüstert): Warum der?

OB: Geh heim. Was kann denn hier noch schlimmer werden?




7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Charaktere wieder herrlich getroffen!
Wo war eigentlich der Mangold? Der ist doch auch spirituell ganz nah am Großen O dran.

Anonym hat gesagt…

Ob der Bürgermeister Dickl das auch lustig findet?

wahlinfo-passau hat gesagt…

Lustig? Was soll an der Geschichte lustig sein? Ist genau so passiert. Ich war dabei.

Anonym hat gesagt…

Life is live! Herzlichen Dank für den Fronteinsatz ... schön, dass immer ein Präsident aufpasst, was unsere local heros so alles fabrizieren.

Anonym hat gesagt…

Dass Scheuer Minister war und Dickel Bürgermeister sagt alles über das Niveau der Politik. Wer heute nichts wird, wird nicht mehr Wirt, sondern Politiker.

Anonym hat gesagt…

Off topic: Heute, 10. Januar, sollte der Präsident über den Aufmacher im Lokalteil doch in Aufregung geraten. Es geht um eines seiner Lieblingsthemen: Kirche.

Also: Bischof Oster beschloss, dass nicht mehr 12-Jährige gefirmt werden, sondern 16-Jährige. In 2022 wird das erstmals der Fall sein. Man rechnete damit, dass die Zahl der Firmlinge deutlich sinken würde. Der Bischof erfuhr bereits vorab Kritik aus den Pfarreien.

Jetzt stellt sich heraus: Es ist ein Debakel. In ganz Passau hat sich nur eine einstellige Zahl an Firmlingen gemeldet. Innerkirchliche Kritiker an der neuen Regelung des Bischofs sehen sich bestätigt. Die Kirche (und darin liegt die Relevanz, die ein Veröffentlichen in der PNP rechtfertigt) bekommt erneut zu spüren, wie sehr sie sich in ihrer Bedeutung selbst verzwergt.

Jetzt der PNP-Bericht: Wäre ich Pressesprecher des Bischofs, ich hätte nicht gewagt, einen so weichgespülten Artikel zu schreiben. Die Tageszeitungsredaktion wagt es.

Deshalb kurze Nachhilfe, liebe PNP, wie Journalismus funktioniert: Erst einmal holt man die konkreten Zahlen ein und schreibt nicht nebulös von "wenigen". Es ist wichtig, ob es wirklich (wie ich gehört habe) um die 90 Prozent Firmverweigerer sind oder 80 Prozent. Dann druckt man nicht eine äußerst umfangreiche Erklärung einer Unter-Untergebenen ab, sondern verlangt eine Stellungnahme von dem, der es zu verantworten hat: von Bischof Oster selbst. Fehlanzeige. Dann würde die Stellungnahme vom kirchlichen Laiengremium, sprich Dekanatsrat/Diözesanrat folgen. Fehlanzeige. Und schließlich kämen auch kritische Stimmen zu Wort (die innerkirchlich zu finden, ist keine journalistische Meisterleistung). Fehlanzeige.

Soweit die nicht durchgeführte journalistische Pflicht. Zur Kür: Für eine Folgeausgabe gehe ich in eine Schule und rede mit 16-Jährigen. Dann wird deren Standpunkt gedruckt. Wenn ich ganz pfiffige Jugendliche aufgetrieben habe, organisiere ich sogar ein Gespräch mit dem Bischof.

Spannender Journalismus statt Verlautbarungsabdruck.

Anonym hat gesagt…

Nächstes off topic zu einem der "Lieblinge" des Präsidenten, gescheitert sowohl als Kandidat zu einem Landkreis-Bürgermeisters als auch als Landtagskandidat. Der Präsident beschrieb ihn dereinst, er sähe aus, als wäre er gerade von der Mama geohrfeigt worden (oder so ähnlich). Der aktuell ja stv. Landrat betreibt ein gut gehendes Wirtshaus, in dem man - das sei hier festgestellt - gut isst. Man darf sich halt nicht daran stören, dass ohne Maske bedient wird und der Hausherr sich zum Abkassieren an den Tisch sitzt und die Maske abnimmt. Mit der Gesundheit kennt er sich ja aus, sein Einsatz für das Rauchen im Wirtshaus ist unvergessen. Im gut gefüllten Wirtshaus u.a. auch ein Stammtisch, der unter der früheren Sperrstunde leidet. Erläuterung des Wirts: "Hilft ja nichts, die Stammtischler fangen jetzt eben um 3 Uhr nachmittags an."
Ja, so ist er, unser Landkreis!