Regretting motherhood (oder: Wo Hausfrauen stille Genugtuung finden)
PNP, 26. März 2016, Seite 40, Bauernteil
Hausfrauen-Psychologie
Der Mensch ist ein Jäger und Sammler. Doch in Zeiten, in denen das Beutetier
eingeschweißt in der Kühltheke liegt und die Früchte gepflückt und entsteint in der Obstabteilung, muss er andere Gelegenheiten finden, seine Instinkte auszuleben. Zum Beispiel indem er mit Körbchen bewaffnet durch den heimischen Garten pirscht, im erbitterten Nahrungswettbewerb mit der lieben Verwandtschaft um bunte Eier und Schoko-Hasen.
Nur eine sucht nicht: Mutti. Sie muss sich wieder mal um alles kümmern, denn der moderne Jäger und Sammler lässt sich gern bedienen. Was das ganze Jahr über fürs Kochen, Putzen und Einkaufen gilt, ist auch beim österlichen Event-Suchen nicht anders. So steigt die Mutti in der Dämmerung, während die Familie noch eingemummelt in den warmen Betten liegt, mit Morgenmantel und Stirnlampe durch den Garten und versteckt die Beute-Eier im Gestrüpp, auf dem Baum, hinter der Gießkanne. Und wissend, dass ihre Liebsten, vom Ur-Instinkt gepackt, gar nicht anders können, als mit Feuereifer zu suchen, denkt sie sich heuer ein ganz besonderes Versteck aus.
Wie die Heuschrecken schwärmen die nichts ahnenden Verwandten aus. Mit gierigen Fingern ist der Garten schnell abgegrast, die Körbe sind gefüllt und wer doch vor lauter Ostern die Eier nicht sieht, dem hilft das mütterliche Sonar liebevoll auf die Sprünge: „Warm, warm, wärmer, kaaalt, wärmer, uh heiß, heiß!“ Wenn dann die satte Meute wieder dem Haus zustrebt, zündet Mutti Motivationsstufe zwei: „Ein Nesterl fehlt noch.“ Das Rudel stockt – der Ur-Instinkt von Neuem erweckt. Die Kinder pflügen unter der Thujenhecke entlang, der Vater versinkt bis zur Schulter in der Regenwassertonne, der Onkel steckt kopfüber im Rhododendron, der Opa versucht’s mit Rasterfahndung und schleicht im Karree über den Rasen. Vergeblich. Bald knurren die Mägen nach dem Festtagsessen, doch Mutti legt noch einmal nach – mit umgekehrter Psychologie: „Soll ich euch sagen, wo es ist? Ihr findet es ja nie!“ Das lässt der Stolz freilich nicht zu. Der Mittag verstreicht, die Verwandtschaft irrt immer noch durchs Grün, leise fluchend, auf der Suche nach diesem einen letzten Osternesterl, dass (Schreibweise im Original) Mutti nie versteckt hat. Und so findet auch die Hausfrau an Ostern noch etwas im Garten: stille Genugtuung.
Sabine Kain
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Ein Kommentar zur Oster-Woche der Kampfzeitung des KS folgt.
PNP, 26. März 2016, Seite 40, Bauernteil
Hausfrauen-Psychologie
Der Mensch ist ein Jäger und Sammler. Doch in Zeiten, in denen das Beutetier
eingeschweißt in der Kühltheke liegt und die Früchte gepflückt und entsteint in der Obstabteilung, muss er andere Gelegenheiten finden, seine Instinkte auszuleben. Zum Beispiel indem er mit Körbchen bewaffnet durch den heimischen Garten pirscht, im erbitterten Nahrungswettbewerb mit der lieben Verwandtschaft um bunte Eier und Schoko-Hasen.
Nur eine sucht nicht: Mutti. Sie muss sich wieder mal um alles kümmern, denn der moderne Jäger und Sammler lässt sich gern bedienen. Was das ganze Jahr über fürs Kochen, Putzen und Einkaufen gilt, ist auch beim österlichen Event-Suchen nicht anders. So steigt die Mutti in der Dämmerung, während die Familie noch eingemummelt in den warmen Betten liegt, mit Morgenmantel und Stirnlampe durch den Garten und versteckt die Beute-Eier im Gestrüpp, auf dem Baum, hinter der Gießkanne. Und wissend, dass ihre Liebsten, vom Ur-Instinkt gepackt, gar nicht anders können, als mit Feuereifer zu suchen, denkt sie sich heuer ein ganz besonderes Versteck aus.
Wie die Heuschrecken schwärmen die nichts ahnenden Verwandten aus. Mit gierigen Fingern ist der Garten schnell abgegrast, die Körbe sind gefüllt und wer doch vor lauter Ostern die Eier nicht sieht, dem hilft das mütterliche Sonar liebevoll auf die Sprünge: „Warm, warm, wärmer, kaaalt, wärmer, uh heiß, heiß!“ Wenn dann die satte Meute wieder dem Haus zustrebt, zündet Mutti Motivationsstufe zwei: „Ein Nesterl fehlt noch.“ Das Rudel stockt – der Ur-Instinkt von Neuem erweckt. Die Kinder pflügen unter der Thujenhecke entlang, der Vater versinkt bis zur Schulter in der Regenwassertonne, der Onkel steckt kopfüber im Rhododendron, der Opa versucht’s mit Rasterfahndung und schleicht im Karree über den Rasen. Vergeblich. Bald knurren die Mägen nach dem Festtagsessen, doch Mutti legt noch einmal nach – mit umgekehrter Psychologie: „Soll ich euch sagen, wo es ist? Ihr findet es ja nie!“ Das lässt der Stolz freilich nicht zu. Der Mittag verstreicht, die Verwandtschaft irrt immer noch durchs Grün, leise fluchend, auf der Suche nach diesem einen letzten Osternesterl, dass (Schreibweise im Original) Mutti nie versteckt hat. Und so findet auch die Hausfrau an Ostern noch etwas im Garten: stille Genugtuung.
Sabine Kain
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Ein Kommentar zur Oster-Woche der Kampfzeitung des KS folgt.