Die Stadtratsmitglieder sind Inhaber eines öffentlichen Amtes, üben kraft dieses Amtes hoheitliche Gewalt aus und tun dies gemäß § 40 Abs. 1 KSVG grundsätzlich im Rahmen öffentlicher, d.h. öffentlich zugänglicher, Sitzungen. Sie haben sich also der Öffentlichkeit zu stellen. Damit sind sie nicht in ihrer besonders geschützten Privatsphäre betroffen, sondern in ihrem Wirken als Mandatsträger auf kommunaler Ebene in einer von ihnen selbst gewollten - sich in der Öffentlichkeit abspielenden - Sphäre, in der sie stets mit der Beobachtung durch diese Öffentlichkeit rechnen müssen, für die ihr Wirken als Stadtratsmitglied von Bedeutung ist. Sollten durch die Videoaufzeichnungen der Klägerin rhetorische Fehlleistungen, sprachliche Unzulänglichkeiten und/oder Gemütsbewegungen der Ratsmitglieder dauerhaft und ständig reproduzierbar konserviert werden, ist dies mit Blick auf den Entschluss des einzelnen Ratsmitgliedes, das öffentliche Amt auszuüben, hinzunehmen. Die Rechtsordnung darf mit Blick auf das in § 40 Abs. 1 KSVG normierte Prinzip der Öffentlichkeit grundsätzlich erwarten, dass sich das Ratsmitglied den mit seiner Funktion verbundenen Erwartungen auch bei Mitwirkung an von der Öffentlichkeit beachteten Sitzungen und Verfahrensgegenständen gewachsen zeigen wird, selbst wenn Medien darüber Bilder verbreiten.20(vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 19.12.2007 -1 BvR 620/07-, E 119, 309 ff., zur Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal außerhalb der Hauptverhandlung in Bezug auf die Stellung der Schöffen) Dabei bilden die Stadtratssitzung und die hieran beteiligten Personen, insbesondere die Stadtratsmitglieder, aus ihrem aktuellen politischen Kontext heraus ein zeitgeschichtliches Geschehen, so dass die Handelnden als relative Personen der Zeitgeschichte anzusehen sind und sich deshalb ihre Darstellung in der Öffentlichkeit gemäß §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG gefallen lassen müssen. Dass eine "von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre" "zu den notwendigen Voraussetzungen eines geordneten Sitzungsbetriebs" gehört und dass dabei auf "kleinere und ländliche Gemeinden" als allgemeiner Maßstab abgestellt wird(so die abstrakten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts a.a.O.; die Kammer ist insoweit zu keiner Zeit davon ausgegangen, dass sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf eine "kleinere und ländliche Gemeinde" bezog, sondern zieht lediglich in Zweifel, dass sich die Gegebenheiten in einer solchen Gemeinde, die im Übrigen ebenfalls rein spekulativ dargestellt werden, als allgemeiner Maßstab zur Lösung der vorliegend in Rede stehenden Rechtsfrage eignen.), ist für den konkreten, auf den Stadtrat einer Landeshauptstadt bezogenen Fall in der heutigen Zeit nicht mehr haltbar und vermag insoweit eine Einschränkung der Rundfunkfreiheit nicht zu rechtfertigen.
Denn die gesellschaftlichen Strukturen hinsichtlich der Beschaffung von Informationen, insbesondere die Möglichkeit und Notwendigkeit der öffentlichen Beobachtung und Kontrolle haben sich nachhaltig verändert (Stichwort: Informationsgesellschaft). Neue elektronische Techniken, Kommunikationsinfrastrukturen, Präsentationsformen sowie Medieninhalte sind entstanden. Die Medien sind zu wichtigen Begleitern fast aller Bürger geworden. Sie prägen große Zeiteinheiten des Tagesablaufes und bestimmen die Kommunikation der Bürger nachhaltig. Zugleich haben die Bürger neue Fähigkeiten im Umgang mit den Medien, auch mit der Präsenz von Medien bei wichtigen Ereignissen, entwickelt. Erfahrung, Lebenseinstellung, Werthaltung und Verhaltensmuster werden in erheblichem Umfang durch die Medien vermittelt.(vgl. BVerfGE 101, 361, 309) Dem Rundfunk kommt dabei wegen seiner breiten Wirkung, Aktualität und Suggestivkraft besondere Bedeutung zu.23(vgl. BVerfGE 90, 60, 87) Auch mit Blick auf diese geänderte Informationsgesellschaft ist von Ratsmitgliedern aufgrund der vom Kommunalselbstverwaltungsgesetz vorgesehenen Bedeutung ihres Wirkens für die Öffentlichkeit die Aufzeichnung der Stadtratssitzungen hinzunehmen, zumal gerade die Träger in gesellschaftlicher Verantwortung, wie Politiker und auch Ratsmitglieder, auf die Wahrnehmung einer medienvermittelten Realität angewiesen sind und sie auch suchen, wie die Berichterstattung über die Stadtratssitzungen durch den SR belegt.(vgl. hierzu nur den Schriftsatz der Klägerin vom 27.05.2010, Bl. 28 der Gerichtsakte 11 L 502/10)
Die Stadtverwaltung in Passau hatte doch herausgefunden, dass es noch keine Städte in Deutschland gibt, die Livestream aus dem Stadtrat anbieten. Sind die jetzt unfähiger als der Präsident, oder ist der Präsident cleverer?
@Aha Wenn die Stadtverwaltung bei der Internet-Recherche genauso technisch unterwegs ist, wie beim Übertragen der Sitzungen, dann ist davon auszugehen, dass die die entsprechenden Fundstellen nicht gefunden haben.
Ist auch langweilig wenn man es versteht. Anstatt ellenlang dahinzusabbern, hätte man auch einfach schreiben können, dass das in Passau praktizierte Wunsch-Ausblenden der vermeintlichen gesetzlichen Grundlage entbehrt. ( ist auch schon fast zu viel gesabbert)
Auch wenn sich manche Stadträtin/Stadtrat durch den Bericht von Michael Oswald der AS persönlich gekränkt fühlt, er hat dennoch den Nagel auf den Kopf getroffen. Dies bestätigt auch der Artikel des Verwaltungsgerichts Saarlouis. Persönlich halte ich das Verhalten der "Verweigerer" zudem für borniert und fern des Zeitgeists.
Geschenktip für Passauer Stadtratsmitglieder: http://www.amazon.de/Gedankenimpulse-40-Karten-zur-Selbstreflexion/dp/3941574787
Das wäre doch mal die richtige Zeit für einen "Blitzpöbel" ;). Jeder kommt mit Laptop und Stick setzt sich in die Zuschauerreihen, ruft den Live-Stream (gibt's den für diese Sitzungen überhaupt?) auf und starrt aufs Gerät... Mögliche Termine: https://www.ratsinfo.passau.de/termine
Gute Idee Freud. Dann würde sich auch etwas anderes zeigen, was gerade der OB überhaupt nicht einsehen will: Wenn alle Interessierten in die Sitzungen als Zuhörer kommen würden, dann gäbe es für sie überhaupt keinen Platz. Auch deswegen ist das Livestream Projekt zu unterstützen.
wie wäre es denn mit einem "Sorry, wir haben uns geirrt" und anschließendem professionellen Umsetzen und Unterstützen der Idee der Internetübertragung. Nach zwei oder drei Sitzungen schaut das eh niemand mehr an und es wäre wieder Frieden in der Stadt… (Nur so eine Idee)
Da hat er aber gut recherchiert, der Christian Karl:
"Mittlerweile wurde bekannt, dass es ähnliche Live-Stream-Übertragungen auch in Bonn sowie den ostdeutschen Städten Erfurt, Gera, Weimar und Jena gibt. Das Verwaltungsgericht Saarlouis hat in einem Urteil vom Mai 2010 festgestellt, dass "mit Blick auf die geänderte Informationsgesellschaft von Ratsmitgliedern (...) aufgrund der Bedeutung ihres Wirkens für die Öffentlichkeit die Aufzeichnung von Stadtratssitzungen hinzunehmen" sei."
Statt Flashmob täts doch auch ein normaler besuch der sitzung mit massenhaftem twittern - immer dann, wenn ausgeblendet wird. quasi als live-ticker vor ort an die daheimgebliebenen schwarzseher. man könnte es auch mit live-stream versuchen, falls das mit iPhone et al. überhaupt geht, kenn mich da nicht so aus.
17 Kommentare:
Geht doch!
Und... wenn man den Artikel aufmerksam liest, dann lernt man, daß andernorts die Genossen die treibende Kraft hinter solchen Initiativen sind.
Alles SPD-geführte Städte.
Die Stadtratsmitglieder sind Inhaber eines öffentlichen Amtes, üben kraft dieses Amtes hoheitliche Gewalt aus und tun dies gemäß § 40 Abs. 1 KSVG grundsätzlich im Rahmen öffentlicher, d.h. öffentlich zugänglicher, Sitzungen. Sie haben sich also der Öffentlichkeit zu stellen. Damit sind sie nicht in ihrer besonders geschützten Privatsphäre betroffen, sondern in ihrem Wirken als Mandatsträger auf kommunaler Ebene in einer von ihnen selbst gewollten - sich in der Öffentlichkeit abspielenden - Sphäre, in der sie stets mit der Beobachtung durch diese Öffentlichkeit rechnen müssen, für die ihr Wirken als Stadtratsmitglied von Bedeutung ist. Sollten durch die Videoaufzeichnungen der Klägerin rhetorische Fehlleistungen, sprachliche Unzulänglichkeiten und/oder Gemütsbewegungen der Ratsmitglieder dauerhaft und ständig reproduzierbar konserviert werden, ist dies mit Blick auf den Entschluss des einzelnen Ratsmitgliedes, das öffentliche Amt auszuüben, hinzunehmen. Die Rechtsordnung darf mit Blick auf das in § 40 Abs. 1 KSVG normierte Prinzip der Öffentlichkeit grundsätzlich erwarten, dass sich das Ratsmitglied den mit seiner Funktion verbundenen Erwartungen auch bei Mitwirkung an von der Öffentlichkeit beachteten Sitzungen und Verfahrensgegenständen gewachsen zeigen wird, selbst wenn Medien darüber Bilder verbreiten.20(vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 19.12.2007 -1 BvR 620/07-, E 119, 309 ff., zur Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal außerhalb der Hauptverhandlung in Bezug auf die Stellung der Schöffen) Dabei bilden die Stadtratssitzung und die hieran beteiligten Personen, insbesondere die Stadtratsmitglieder, aus ihrem aktuellen politischen Kontext heraus ein zeitgeschichtliches Geschehen, so dass die Handelnden als relative Personen der Zeitgeschichte anzusehen sind und sich deshalb ihre Darstellung in der Öffentlichkeit gemäß §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG gefallen lassen müssen. Dass eine "von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre" "zu den notwendigen Voraussetzungen eines geordneten Sitzungsbetriebs" gehört und dass dabei auf "kleinere und ländliche Gemeinden" als allgemeiner Maßstab abgestellt wird(so die abstrakten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts a.a.O.; die Kammer ist insoweit zu keiner Zeit davon ausgegangen, dass sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf eine "kleinere und ländliche Gemeinde" bezog, sondern zieht lediglich in Zweifel, dass sich die Gegebenheiten in einer solchen Gemeinde, die im Übrigen ebenfalls rein spekulativ dargestellt werden, als allgemeiner Maßstab zur Lösung der vorliegend in Rede stehenden Rechtsfrage eignen.), ist für den konkreten, auf den Stadtrat einer Landeshauptstadt bezogenen Fall in der heutigen Zeit nicht mehr haltbar und vermag insoweit eine Einschränkung der Rundfunkfreiheit nicht zu rechtfertigen.
Denn die gesellschaftlichen Strukturen hinsichtlich der Beschaffung von Informationen, insbesondere die Möglichkeit und Notwendigkeit der öffentlichen Beobachtung und Kontrolle haben sich nachhaltig verändert (Stichwort: Informationsgesellschaft). Neue elektronische Techniken, Kommunikationsinfrastrukturen, Präsentationsformen sowie Medieninhalte sind entstanden. Die Medien sind zu wichtigen Begleitern fast aller Bürger geworden. Sie prägen große Zeiteinheiten des Tagesablaufes und bestimmen die Kommunikation der Bürger nachhaltig. Zugleich haben die Bürger neue Fähigkeiten im Umgang mit den Medien, auch mit der Präsenz von Medien bei wichtigen Ereignissen, entwickelt. Erfahrung, Lebenseinstellung, Werthaltung und Verhaltensmuster werden in erheblichem Umfang durch die Medien vermittelt.(vgl. BVerfGE 101, 361, 309) Dem Rundfunk kommt dabei wegen seiner breiten Wirkung, Aktualität und Suggestivkraft besondere Bedeutung zu.23(vgl. BVerfGE 90, 60, 87) Auch mit Blick auf diese geänderte Informationsgesellschaft ist von Ratsmitgliedern aufgrund der vom Kommunalselbstverwaltungsgesetz vorgesehenen Bedeutung ihres Wirkens für die Öffentlichkeit die Aufzeichnung der Stadtratssitzungen hinzunehmen, zumal gerade die Träger in gesellschaftlicher Verantwortung, wie Politiker und auch Ratsmitglieder, auf die Wahrnehmung einer medienvermittelten Realität angewiesen sind und sie auch suchen, wie die Berichterstattung über die Stadtratssitzungen durch den SR belegt.(vgl. hierzu nur den Schriftsatz der Klägerin vom 27.05.2010, Bl. 28 der Gerichtsakte 11 L 502/10)
Das ist noch langweiliger als die Reden der zensierten Städträte...
Wenn man es versteht, nicht.
Die Stadtverwaltung in Passau hatte doch herausgefunden, dass es noch keine Städte in Deutschland gibt, die Livestream aus dem Stadtrat anbieten.
Sind die jetzt unfähiger als der Präsident, oder ist der Präsident cleverer?
@Aha
Wenn die Stadtverwaltung bei der Internet-Recherche genauso technisch unterwegs ist, wie beim Übertragen der Sitzungen, dann ist davon auszugehen, dass die die entsprechenden Fundstellen nicht gefunden haben.
Ist auch langweilig wenn man es versteht. Anstatt ellenlang dahinzusabbern, hätte man auch einfach schreiben können, dass das in Passau praktizierte Wunsch-Ausblenden der vermeintlichen gesetzlichen Grundlage entbehrt. ( ist auch schon fast zu viel gesabbert)
Auch wenn sich manche Stadträtin/Stadtrat durch den Bericht von Michael Oswald der AS persönlich gekränkt fühlt, er hat dennoch den Nagel auf den Kopf getroffen. Dies bestätigt auch der Artikel des Verwaltungsgerichts Saarlouis. Persönlich halte ich das Verhalten der "Verweigerer" zudem für borniert und fern des Zeitgeists.
Geschenktip für Passauer Stadtratsmitglieder: http://www.amazon.de/Gedankenimpulse-40-Karten-zur-Selbstreflexion/dp/3941574787
Das wäre doch mal die richtige Zeit für einen "Blitzpöbel" ;).
Jeder kommt mit Laptop und Stick setzt sich in die Zuschauerreihen, ruft den Live-Stream (gibt's den für diese Sitzungen überhaupt?) auf und starrt aufs Gerät...
Mögliche Termine: https://www.ratsinfo.passau.de/termine
Gute Idee Freud.
Dann würde sich auch etwas anderes zeigen, was gerade der OB überhaupt nicht einsehen will: Wenn alle Interessierten in die Sitzungen als Zuhörer kommen würden, dann gäbe es für sie überhaupt keinen Platz. Auch deswegen ist das Livestream Projekt zu unterstützen.
Huhu SPD-Passau,
wie wäre es denn mit einem "Sorry, wir haben uns geirrt" und anschließendem professionellen Umsetzen und Unterstützen der Idee der Internetübertragung. Nach zwei oder drei Sitzungen schaut das eh niemand mehr an und es wäre wieder Frieden in der Stadt…
(Nur so eine Idee)
Da hat er aber gut recherchiert, der Christian Karl:
"Mittlerweile wurde bekannt, dass es ähnliche Live-Stream-Übertragungen auch in Bonn sowie den ostdeutschen Städten Erfurt, Gera, Weimar und Jena gibt. Das Verwaltungsgericht Saarlouis hat in einem Urteil vom Mai 2010 festgestellt, dass "mit Blick auf die geänderte Informationsgesellschaft von Ratsmitgliedern (...) aufgrund der Bedeutung ihres Wirkens für die Öffentlichkeit die Aufzeichnung von Stadtratssitzungen hinzunehmen" sei."
Wo er das wohl gefunden hat?
Vielleicht sollte Christian Karl seinen Vornamen in Karl Theodor ändern. :-)
@Freud: Ich bin dabei. Jetzt brauchen wir nur noch einen Termin für einen Blitzpöbel.
@Christian Karl: Bitte nicht verraten
Statt Flashmob täts doch auch ein normaler besuch der sitzung mit massenhaftem twittern - immer dann, wenn ausgeblendet wird. quasi als live-ticker vor ort an die daheimgebliebenen schwarzseher. man könnte es auch mit live-stream versuchen, falls das mit iPhone et al. überhaupt geht, kenn mich da nicht so aus.
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