Donnerstag, 15. September 2011

Massenrücktritt jetzt!

Es passiert ja selten genug, dass wir hier auf Wahlinfo-Passau einen ausschließlich ernsthaften und komikfreien Kommentar verfassen. Wenn dies aber geschieht, ist immer Gefahr in Verzug.

Auch spaßfreies Pathos ist uns grundsätzlich fremd. Deshalb muss man es ausdrücklich betonen: Die folgenden Zeilen sind ganz und gar ernst gemeint.

Warum also muss man dies erwähnen und alle freien Medien, Berichterstatter und Kommentatoren auffordern, es uns gleich zu tun? Ganz einfach: Weil sich in Passau ein paar Provinzpolitiker in einer Art und Weise gerieren, die den demokratischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte und unserer Gesellschaftsordnung seit 1945 eklatant zuwider läuft.

Aber von Anfang an und verständlich aufgebaut: Es wurde nach einem entsprechenden Antrag vom Passauer Stadtrat beschlossen, Plenums- sowie Ausschusssitzungen live in Bild und Ton ins Internet zu übertragen. Nach zweifelhafter juristischer Einschätzung (die aufgrund ihrer abwegigen Unlogik ganz sicherlich nicht lange Bestand haben kann) haben Stadträte wie auch Verwaltungsbeamte die Möglichkeit, der eigenen Bild- und Tonaufnahme im Livestream zu widersprechen. Von dieser Möglichkeit haben nach PNP-Berichterstattung vom heutigen Tage "nicht wenige" Stadträte und Verwaltungsmitglieder Gebrauch gemacht.

Ab kommenden Montag ist es also möglich, auf passau.de Sitzungen des Passauer Stadtrats mitzuverfolgen. De facto ist es natürlich nicht möglich. Wenn nämlich bei Wortmeldungen "nicht weniger" Stadträte die Kamera an die Saaldecke gerichtet und der Ton abgeschaltet wird, verliert selbst der interessierteste Beobachter - vor allem wegen der Nichtnachvollziehbarkeit der Argumentation und der fehlenden Erkennbarkeit der Abläufe - die Geduld und das - wie von den Widersprechenden beabsichtigt - Interesse.

Dies wird zur Folge haben, dass in der Testphase, die bis Anfang 2012 andauert, immer weniger und irgendwann praktisch niemand mehr die Livestreams aus dem Passauer Stadtrat betrachten wird, weil eine tatsächliche politische Auseinandersetzung und Diskussion durch die zahlreichen sinn- und ablaufentstellenden Unterbrechungen nicht mehr verfolgbar und wahrnehmbar sein wird.

Es handelt sich also erkennbar um die bewusste und zielgerichtete Sabotage einer seit knapp siebzig Jahren akzeptierten und etablierten medialen Berichterstattung. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges müssen es demokratische Politiker aushalten, ihr Tun und ihre Aussagen in Bild und Ton der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zeitung, Radio, Fernsehen, mittlerweile auch seit den 90-er Jahren Lokalfernsehen geben eine Live-Wahrnehmung von Politikern aller Ebenen wider. Oder käme einer der Passauer Widersprechenden ernsthaft auf die Idee, gegen eine Fotoabbildung in seiner Heimatzeitung, die Zitation seiner Gedanken ebenda oder gar gegen einen Filmbeitrag im Provinz-TV oder Radio aufzubegehren?

Vielleicht auch deshalb nicht, weil die Lokalzeitungen und Regional-TV-Anstalten dem Provinzpolitiker oft zu wohlgesonnen sind. Heißt auf deutsch: Die besonders Dummen werden redigiert, dass der Bürger nicht merkt, dass er besonders dumme Volksvertreter hat.

Sollte diese Behauptung nicht stimmen, frage ich mich, warum ein Passauer Fraktionsvorsitzender seine Ablehnung der Internetübertragung damit begründet hat, "einige Kollegen hätten Angst, sich zu blamieren."

Man darf also konstatieren: Der Widerspruch zum Livestream ist bei denjenigen, denen eine mittlere Geschäftsfähigkeit noch unterstellt werden kann, zutiefst unverschämt und undemokratisch und bei den Anderen Angst vorm Ertapptwerden.

Nach dieser stichhaltigen und unwiderlegbaren, gutachterähnlichen Einschätzung kann ich den Antidemokraten des Passauer Stadtrates nur zurufen: Lest es nochmals, versteht es, widerruft Euren Widerruf oder schmeißt hin. Wer meint, er würde sich ob seiner Aussagen blamieren, kann ja immer noch sein Stadtratsmandat niederlegen. Ganz sicherlich reicht kognitiv-intellektuell-rhetorische Insuffizienz als Begründung aus.

Wir sind noch da.

Der Präsident

30 Kommentare:

MiKa hat gesagt…

Vielleicht sollte man mal zusammentragen da wiedersprochen hat. Denn so geht's ja wirklich nicht - wo sind wir denn?

Da macht ja jeder was er will hat gesagt…

Nicht nur die Stadträte haben offenbar ein Problem damit, dauerhaft dazu zu stehen, was sie sagen. Auch die städtischen Beamten, die in den Ausschüssen berichten, haben reihenweise widersprochen.
Wo sind wir denn? Genau diese Beamten werden züger als sonst wo befördert mit der Begründung, sie stehen ja in der Öffentlichkeit. Und dann stehen sie 1x in der Öffentlichkeit und dann widersprechen sie.
Für diese Herren darf es nur eines geben: Das Geld aus den nicht gerechtfertigten Beförderungen der letzten Jahrzehnte zurückzahlen und dann raus!!!

Anonym hat gesagt…

Kann man irgendwo eine Liste bekommen, welche Stadträte das sind?
Wieder mal clever eingefädelt vom Oberjürgen (bekennender Internet- Verweigerer): Früher hieß es "Wenn Du eine Bewegung nicht aufhalten kannst, dann stell Dich an ihre Spitze." Beim Oberjürgen heißt es "Wenn Du eine Bewegung nicht aufhalten kannst, dann zieh sie so lange ins Lächerliche, gar ins Groteske, bis Dir jeder glaubt, dass die Idee schlecht war." Ich finde das sagt sehr viel über diesen Menschen aus.
Oder er erkennt einfach nicht, dass die Verwaltung in der Umsetzung einer guten Idee so rummurkst, bis auch der letzte glaubt, dass die Idee blöd ist. Wenn es so wäre, dann nehm ich das mit dem Oberjürgen freilich zurück. Kann ich mir aber nicht vorstellen, denn das würde er durchschauen, so intelligent ist er.

OB-Checker hat gesagt…

Ich fürchte werter Vorredner, Sie haben ausgesprochen Recht. Nur dass leider viele nicht so intelligent sind, das zu durchschauen... Wer sich die Namen von gefühlt 3,4 Mio Kindern seiner Wähler merken und sich bei jeder Gelegenheit bei den Eltern nach ihrem Schicksal erkundigen kann, dem traut man halt nichts Arges zu...

Verwaltungsbeamter hat gesagt…

Hervorragend auf den Punkt gebracht. Ich bin gespannt, ob die anderen Medien den Skandal als solchen bezeichnen werden.

Anonym hat gesagt…

Ist nicht von der ÖDP auch wer dabei? Kann das jemand bestätigen?

Königstreuer hat gesagt…

Ob das ein Skandal ist weiß ich nicht, jedenfalls ist es dumm und altbacken. Hier wird eine riesige Chance vertan Kommunalpolitik transparenter zu machen. Wer sonst in der Zeitung sein Konterfei herzeigen will muss sich fragen lassen, ob er noch alle an der Waffel hat.

Anonym hat gesagt…

Der Skandal besteht ja wohl darin, dass durch die Widersprüche ein demokratisch zustandegekommener Beschluss ad absurdum geführt wird.

Anonym hat gesagt…

Darf jetzt dann TRP1 die Widersprüchler auch nicht mehr zeigen?

Flasche leer hat gesagt…

Haben die von der SPD alle widersprochen?

Anonym hat gesagt…

Es weiß noch keiner so genau, wer eigentlich jetzt widersprochen hat. Die Liste wird ja nicht öffentlich gemacht.
Das Ganze ist per se so lächerlich! Wo sind wir denn hier und in welchem Zeitalter?

Lächerlich hat gesagt…

Genau so weit sind wir jetzt schon gekommen. Wasch mich- mach mich aber bitte nicht naß. Wähl mich- lass mich aber anschließend in Ruh.

Anonym hat gesagt…

Dem Vernehmen nach hat nicht nur ein ÖDPler widersprochen. So sans hoid, die edlen Transparenzkämpfer

Antidemokrat hat gesagt…

Jetzt übertreibt er aber, der Präsi. Oder ist er jetzt auch schon bei der FDP?

Anonym hat gesagt…

Der Präsident hat schon Recht. Zulassen, oder Amt zur Verfügung stellen!

Das glaub ich nicht hat gesagt…

Glaub nicht, dass der Präsident bei der FDP ist. Er hat ja nicht mal geschrieben, dass der Transparenzantrag von denen kam.

wahlinfo-passau hat gesagt…

Ich verstehe nicht, wie man das anders sehen kann.

Wenn man einen demokratischen Beschluss auf diese Art und Weise sabotiert, ist das undemokratisch.

Ich glaube aber, dass das manche gar nicht kapieren, so wie sie das ganze Internet nicht kapieren. Das ist so ähnlich wie mit den Streetview-Verpixlern. Die haben das Internet und die tatsächlichen Gefahren einfach nicht verstanden. Ich kenne Leute, die haben einen Facebook-Account und lassen ihre Hausfassade verpixeln.

Als Politiker sollte man aber eine gewisse Medienkompetenz aufweisen.

Oder so hat gesagt…

Und ich kenne Stadträte die quengeln in den Redaktionen der örtlichen Presse rum, dass man über sie berichten soll, weil sie ach so tolle Ideen haben, und wollen dann aber plötzlich nicht, dass man sehen kann, wie sie ihre tollen Ideen im Stadtrat vortragen.

morizz hat gesagt…

Solch destruktives Verhalten im Stadtrat/Stadtverwaltung wird nur durch die Internetzensur im nahen und fernen Osten getoppt.

Was ist eigentlich mit den grünen Stadträten? Wie stehen die dazu? Hoffentlich etwas transparenter und mit Rückgrat.

morizz hat gesagt…

Hier besagter Bericht in der PNP:

http://www.pnp.de/region_und_lokal/stadt_und_landkreis_passau/passau_stadt/218608_Stadtrat-live-im-Internet-Es-wird-seltsam.html

Unsere Heimatzeitung freut sich bestimmt über viele Kommentare

Der wahre Grund hat gesagt…

Im von morizz erwähntem Bericht steht auch der Grund recht schön beschrieben, warum es dieses Affentheater überhaupt braucht. Gaaanz unten. Letzter Abschnitt.

Bisher war das OK- Argument immer die Kosten. Da wurden ja Summen aufgerufen... Bis zu 150.000€ oder mehr.
Was hat es jetzt letzlich gekostet?
1.000€ für die Technik und geschätzte 4.000€ für den städtischen Beamten, der sie bedienen muss. Wenn jetzt der Mist mit dem Kamera ein- und ausschalten noch wegfallen würde, bräuchte man auch den nicht mehr zahlen. Kamera in einer Ecke aufgehängt und fertig.

Passau könnte mit nicht mal 5.000€ Vorreiter für andere Städte in Punkto Transparenz und Moderne Medien werden! Und was machen unsere Volksvertreter? Ohne Worte...

Bitte hingehen hat gesagt…

Ganz selten muss ich auch dem Präsidenten widersprechen. Diesmal muss es sein.

Viele, die hier laut "Skandal!" und "Es lebe die Demokratie!" rufen, haben es selbst skandalöserweise nicht geschafft, ihr demokratisches Recht einzulösen und eine Stadtratssitzung zu besuchen. Nur wer diese Veranstaltungen kennt, kann mitreden. Der Vergleich zwischen Sitzungen mit und ohne virtuellen Medien ist himmelschreiend. Ich formuliere es drastisch: In normalen Sitzungen sind einige Beteiligte schwer erträglich (ja, ich meine z.B. W.). Sobald aber die Chance besteht, auf einem Bildschirm zu erscheinen, steigert sich dies. Die Betreffenden sind schlicht zum Kotzen. Populismus pur.

Sachliche Zusammenarbeit wird erschwert. Nicht umsonst werden auch die Sitzungen der Bundestagsausschüsse nicht übertragen.

Übrigens: Ich bin - beim Leben meiner Kinder - kein Stadtrat.

wahlinfo-passau hat gesagt…

Zum einen: Ich würde gerne mal hingehen, bin aber z.B. nächsten Montag nicht mal in Passau.

Zum anderen: Das legt sich, wenn es selbstverständlich geworden ist.

Schraml hat gesagt…

Hab gehört, der Kameramann und Regisseur soll ein sehr bekannter Passauer und passionierter Rollerfahrer sein. Gibt´s da schon eine Bestätigung?

Schildbürger hat gesagt…

Provinzposse!

Sauber hat gesagt…

Lob an die AS! Offenbar die einzige Zeitung, die sich die Mühe macht und unsere "Volksvertreter" mal durchtelefoniert.

Anonym hat gesagt…

Würde mich interessieren was die Taktik der SPD in Passau ist. Erst jahrelang blos nichts politisches voranbringen, damit man es sich mit niemandem verscherzt. Blos keine Entscheidungen treffen. Blos nicht auffallen bis zur nächsten Wahl. Und dann hauen die so einen Kracher raus.
Bisher war die Wiederwahl von Jürgen Dupper ungefährdet.
Wenn das so weitergeht braucht die CSU gar nicht mehr viel selbst dazu tun- das würde sogar eher das Ergebnis der CSU verschlechtern- und der Dupper entthront sich selbst.
Bei diesem Thema hat das Duo Dupper/ Sturm der politische Instinkt verlassen.

Anonym hat gesagt…

Hihi, Passauer Stadtrat life, kanditieren, Posten abstauben, Tauchstation, weils eh koan sachlich richtigen zusammenhängenden Satz rausbringen, die Freibierlätschn

Schraml hat gesagt…

Wer war den in der "Am Sonntag" auf dem Titelblatt "links oben"? Schon klar, dass der Präsi persönlich betroffen ist.

Anonym hat gesagt…

Ob man den Sturm jetzt hört oder nicht ist eh egal, weil der Ton von Haus aus so unhörbar ist.