Seit meiner Jugend amüsiert mich der bayerische Provinzpolitiker, der nach drei Weißbier beim Frühschoppen zum Starkbieranstich fährt, aber der ernsthaften Überzeugung ist, dass ein erwachsener Mensch, der am Abend einen Joint raucht, drogenabhängig ist und in logischer und nächster Konsequenz mit der Nadel im Arm in der Bahnhofstoilette landet. So denken die „normalen Menschen“ mit dem „gesunden Menschenverstand“, weil man es ihnen halt auch seit ihrer Kindheit so eingetrichtert und vorgelebt hat: Bier ist ein Grundnahrungsmittel, ein guter Wein ist Lebensqualität und ein Schnaps nach dem Essen regt die Verdauung an.
Kann man so sehen, macht ja auch Spaß und solange man sich nicht jeden Tag komplett wegballert, hat man auch eine langjährige Überlebenschance. Schlimm und perfide wird es erst, wenn Bierzelt-Demagogen wie Söder (der keinen Alkohol trinkt) am Aschermittwoch oder auch sonst zu jeder passenden Gelegenheit das leicht bis stärker angetrunkene Wahlvolk darin bestärkt, sich seine weiß-blaue Euphorie weiterhin schön zu saufen und gleichzeitig darüber fabuliert, dass die „Kiffer-Connection“ in Berlin alle bayerischen Kinder zu Rauschgiftsüchtigen machen will. Da jubelt der „normale Mensch mit gesundem Menschenverstand“. Brot und Spiele. Oder auf söder-bayerisch: Bier und Feindbilder.
In meiner Jugend in den Achtzigern, also der guten alten Zeit, wo es noch mehr „normale Menschen“ gab, konntest Du Dir als 15-Jähriger am helllichten Nachmittag im Café Haslbauer ein Weißbier bestellen und Dir von der Bedienung gleich noch eine Schachtel Zigaretten für drei Mark bringen lassen. Aber nicht nur das. Es kannte auch nahezu jeder irgendwen, der einem ein bisschen Haschisch oder Marihuana besorgen konnte – also ganz genauso wie heute. Wer kiffen will, der kann das auch in Passau ohne großen Aufwand tun, und zwar schon seit über 40 Jahren.
Warum sollte also eine Liberalisierung – von der ich in der Ausgestaltung übrigens nicht viel halte – jetzt auf einmal alle Kinder und Jugendlichen zu Kiffern machen? Warum sollte es schlimmer sein, wenn ein Jugendlicher am Wochenende einen Joint raucht als sich von seinem 18-jährigen Freund eine Flasche Schnaps für fünf Euro besorgen zu lassen? Genau – wegen dieser Hirnschäden durch Cannabis, von denen man jetzt täglich in der Zeitung liest. Hirnschäden, böse Sache. Dann vielleicht doch besser saufen. Oder hat man da schon mal was von Hirnschäden gehört? Bestimmt nicht, sonst hätten ja die ganzen „normalen Menschen“ einen Hirnschaden. Ausgeschlossen.
Schluss mit lustig. Es gibt keine harmlosen Drogen. Wenn man zu viel kifft, wird man blöd und wenn man zu viel säuft, wird man blöd und tot. Wenn man gelegentlich einen Joint raucht, ein Glas Wein trinkt, Kokain schnupft, Ecstasy schluckt oder was auch immer es sonst noch gibt, konsumiert, kann man das bei bester Gesundheit sein ganzes Leben lang tun. Nicht die Droge ist das Problem, sondern der Konsument.
Am schönsten sind dann in der Diskussion noch die superschlauen Ärzte- und Polizeifunktionäre, die diverse Schreckgespenster an die Wand malen. Die einen insinuieren, dass der Jugendliche von erlaubtem Cannabis (das er legaliter ohnehin nicht erwerben darf) eher einen Hirnschaden bekommt als vom verbotenen und die anderen haben anscheinend nichts Besseres zu tun, als Bürger mit fünf Gramm Gras in der Tasche zu jagen.
Der Verfasser dieser Zeilen sitzt übrigens gerade über dem Darling Harbour in Sydney. In Australien dürfen Erwachsene Cannabis konsumieren, aber Alkohol kann man nicht einfach so im Supermarkt kaufen, sondern nur in bestimmten Bottle Shops. Die Schachtel Zigaretten kostet zwischen 20 und 30 Euro (Euro!) und ich habe das Gefühl, die Menschen hier akzeptieren das verständnisvoll und klaglos. Vielleicht auch deshalb, weil Zigaretten mehr Menschen umbringen als alle illegalen Drogen und Alkohol zusammen. Reisen bildet.
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