Donnerstag, 10. November 2022

Aktuelle Kolumne aus dem Bürgerblick November 2022

Zwölf Jahre Bürgerglück

Ganz genau zwölf Jahre ist es jetzt her. Im November 2010 erschien zum ersten Mal ein Beitrag des Verfassers dieser Zeilen im Bürgerblick, welcher vom Kolumnen-Debütanten darin konsequent „Bürgerglück“ genannt wurde, um eine gewisse spöttische Distanz und Überlegenheit vorzugaukeln, was – wie die gesamte Kolumne – in Wahrheit nur der Versuch war, seine eigenen Minderwertigkeitskomplexe durch pseudo-satirische Verunglimpfungen honoriger Mitglieder unserer Gesellschaft zu kompensieren. Damals machte sich der Kolumnist über all das lustig, was unseren liebenswerten Kleinstadt-Kosmos ausmacht und zog Personen und Institutionen in den Schmutz, die sich lebenslang um die Passauer Res Publica verdient gemacht haben.

Schon allein der Titel war eine Anmaßung. „Abgedreht und hirnvernagelt“ – die plumpe Persiflage auf eine wunderbare und wertvolle Heimatzeitungs-Rubrik, in der samstäglich seit Erfindung des Buchdrucks wunderbaren und wertvollen Persönlichkeiten der Passauer High Society (Klerus, Politik, Charity, abertausenden Kunstschaffenden und Schaffner Ritschie) Altare gebaut wurden, um sich ein bisschen mit in deren Glanz zu sonnen.

Und dann kommt auf einmal ein selbst ernannter Satiriker voller Neid und Missgunst daher und macht sich über die Leuchttürme der sich ums gemeine Volk sorgenden Elite lustig. Eine von Nächstenliebe getragene Dame, die hunderte von Euro für arme Kinder einsammelt, wird verächtlich als „Tschärity-Lady (Pediküre, Maniküre, Schnapsschranktüre)“ bezeichnet. Uneigennützig für eine bessere Verkehrspolitik kämpfende Golfplatzbetreiber werden genauso primitiv verspottet wie Donaubrücken-Fantasten, aufstrebende Staatssekretäre und Weltretter der ÖDP.

Nicht einmal vor dem Allerheiligsten der Passauer Oberschicht wurde zurückgeschreckt und die weit über die Sperrwies hinaus bekannte Veranstaltung „Menschen in Europa“ folgendermaßen boshaft kommentiert: „Überdies werden beim ‚Menschen in Europa‘-Event im November 2011 der Papst, Osama Bin Laden und Barack Obama über das Thema ‚Die Diekmanns und ihre Rolle für den Weltfrieden‘ diskutieren, moderiert von Florian Silbereisen.“

Aber ich muss sagen: Ich bereue … nichts. Zwölf Jahre später geht es im PNP-Tölpel immer noch um den Schaffner Ritschie, peinlich anmutende Homestory-Anekdoten unserer zahlreichen Bürgermeister, belanglose Vorschläge belangloser Kommunalpolitiker, eine fassungslos machende Beschönigung der absurden Ideen eines weltfremden Kirchenfürsten und eben den Schaffner Ritschie. „Menschen in Europa“ leistet man sich auch weiterhin gerne. Obama ist bislang nicht gekommen, dafür immerhin Eckart von Hirschhausen. Ein paar Ewiggestrige im Landkreis fabulieren immer noch über die Nordtangente, die Lame Duck der Passauer CSU glaubt weiterhin fest an die Donaubrücke, der damalig aufstrebende Staatssekretär bereut ebenfalls überhaupt gar nichts und die ÖDP fristet, wie ehemals, ihr putziges Nischen-Dasein.

Ob sich thematisch bis 2034 viel ändern wird? Ich fürchte nicht. Sofern wir den Krieg und die Tatsache, dass es bei Edeka keine Schokoriegel und kein Katzenfutter mehr gibt, überleben, wird der Passauer OB immer noch einen Bart haben, Wirtschaftsminister Josef Heisl bei einem Ortstermin die frohe Botschaft der Förderfähigkeit einer weiteren Passauer Donaubrücke überbringen und bei „Menschen in Europa“ der chinesische Honorarkonsul Andreas Scheuer mit Mario Barth und Bundeswirtschaftsministerin Luisa Neubauer über das Thema „Ist die Kernenergie unsere Zukunft?“ diskutieren. Im PNP-Tölpel wird thematisiert, dass man im Herbst gerne Zwiebel-Look trägt, an Allerheiligen immer weniger Menschen an den Gräbern stehen und dass der Schaffner Ritschie jetzt Stützräder an seiner Vespa hat. Nur auf mich muss der werte Leser dann verzichten. Mit der Übernahme des Bürgerblicks durch die Mediengruppe Bayern wird die Satire-Seite aus redaktionellen Gründen leider durch die Rubrik „Kirchliche Nachrichten“ ersetzt.



2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Made my day!

Cromwell hat gesagt…

And happy anniversary. Time flies when you're having fun.