Freitag, 26. Dezember 2014

Ein Weihnachtsspaziergang

Passau, Heiligabend A.D. MMXIV, bei Einbruch der Dunkelheit. Menschen gehen in der Altstadt spazieren.

Der Ober: Na, echt ned. Übern Domplatz geh ma ned. Sonst treff ma no an PiP.

Frau vom Ober: PiP?

Der Ober: Papst im Praktikum.

Frau vom Ober: Du mogst 'n ja bloß ned, weil a no größenwahnsinniger und narzisstischer is ois Du.

Der Ober: Schmarrn. Erstens mog i an jeden, wenn i im Dienst bin. Und zwoatens stört mi nur, dass der koa Angst hot vor mir. Vor mir hot doch sonst jeder Angst.

Frau vom Ober: Des stimmt. Do siehgst, wos a starker Glaube ausmacht.

Der Ober: Blädsinn. De ham a bissel an Höhenflug, de Kuttenbrunzer. Des gfoit ma ned.

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Die Exzellenz: Was meinen Sie? Heut' wär ein guter Tag, oder?

Der Stellvertreter von der Exzellenz: Für was?

Die Exzellenz: Für ein Wunder.

Der Stellvertreter von der Exzellenz: Was für ein Wunder?

Die Exzellenz: Ich könnte ein Wunder vollbringen. Rufens amal unser Presse an.

Der Stellvertreter von der Exzellenz: 's Bistumsblatt?

Die Exzellenz: Nein, die andern, die uns noch gehören. B 'n' P oder so.

Der Stellvertreter von der Exzellenz: PNP. Aber die gehören uns doch gar nicht.

Die Exzellenz: Echt? Aber sie schreiben, was ich sag. Und dann rufen wir noch diesen Kleinen an, der immer so freche Fragen stellt. Das ist der Richtige für eine Wunder-Berichterstattung.

Der Stellvertreter von der Exzellenz: Den vom Bürgerglück? Des wissen's aber schon, dass der dings is, ähh, oiso triebrichtungsverirrt.

Die Exzellenz: Solang er sich z'sammreißt, ist mir das wurscht. Ich muss mich ja genauso z'sammreißen mit meinen ganzen Groupies. Obwohl ich auch bloß ein Mannsbild bin – also ein richtiges.

Der Stellvertreter von der Exzellenz: Schaun's, wer da kommt. Der Vorsitzende vom weltlichen Betriebsrat, hi hi.

Die Exzellenz: Gott zum Gruße, Herr Oberbürgermeister, Frau Oberbürgermeister.

Der Ober: Grüß Gott, Hochwürdigster Herr Bischof. Grüß Gott, Frau Bisch..., ähh, Herr Generalvikar.

Die Exzellenz: Stehen's doch bequem, Herr Oberbürgermeister. Was macht das Amt? Tun's noch fleißig herumregieren?

Der Ober: Ja, ganz fleißig, Exzellenz, ganz fleißig.

Die Exzellenz: Bevor ich's vergess, Herr Oberbürgermeister...  Wir hätten jetzt das Pflaster vorm Dom doch wieder gern ganz anders. Da brauchen Sie sich aber nicht drum kümmern. Ich lass das selber machen und schick Ihnen dann einfach die Rechnung. Ein paar Wurstsemmeln von ein paar so Flüchtlingen sind eh auch noch offen. Die setzen wir dann einfach mit drauf auf die Rechnung, gell.

Der Ober: Ja freilich, Exzellenz. Schickens einfach, wie immer, die Rechnung. Danke, Exzellenz.

Die Exzellenz: Nichts zu danken. Man machts ja gern. Vergelts Gott, Herr Oberbürgermeister und ein gesegnetes Weihnachtsfest. Und viele Grüße an die Kinder.

Der Ober: Danke ebenfalls, Exzellenz. Grüß Gott.

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Die schwarze Hoffnung: Grüß Gott, Griaß Eahna, Servus.

Frau der schwarzen Hoffnung: Warum grüßt denn immer alle. Host Du die zwoa kennt?

Die schwarze Hoffung: I woaß ned. Des is hoit der Fluch, wenn man prominent is. Da muss man immer alle grüßen.... Guten Abend, Servus, Grüß Gott!

Passant 1: Kennst Du den?

Passant 2: Na. I hob denkt, der hot Di griaßt. War des ned oana von de Dom-Ministranten?

Passant 1: Glaub ned. I moan, i hob'n scho amoi im Rathaus g'seghn.

Passant 2: Genau. Da Hausmoasta vom Rathaus is.

Passant 1: Genau.

Frau der schwarzen Hoffnung: De ham Di ned amoi z'ruckgriaßt.

Die schwarze Hoffnung: Mei, de sand hoit schüchtern. De ham einfach a gewisse Ehrfurcht vor am Fraktionsvorsitzenden.

Frau der schwarzen Hoffnung: Ah so. So was vergiss i oiwei. Scho krass, oder? Mir is des gar nimmer bewusst, dass Du koa stinknormaler Mensch bist.

Die schwarze Hoffnung: I sog oiwei, wer Größe hot, losst si sei Prominenz ned aussahänga. Deswegen griaß i a ganz normale Leit.

Es nähert sich ein Mann mit einem kleinen Hund. Emmi, der Hund der schwarzen Hoffnung, macht einen Satz und beschnuppert den kleinen Hund.

Kleinhund-Gassigeher: Hoits den Hund z'ruck, sonst erschiaß i'n.

Die schwarze Hoffnung: Andi! Servus! Kennst uns ned?

Kleinhund-Gassigeher: Ah so, tschuldigung, Servus. Aber jetzt dua den Hund weg. Was machts denn Ihr mitten in der Stadt? Habts Euch verlaufen?

Frau der schwarzen Hoffnung: Da Armin meint, die Bürger freun sich, wenn sie an Weihnachten den Fraktionsvorsitzenden treffen.

Kleinhund-Gassigeher: Aha. Ganz bestimmt. Super, ja. Ähhh, i muaß dann wieder. Ciao.

Die schwarze Hoffnung: Andi! Ich wünsch Dir ganz tolle und erholsame Feiertage und alles Gute fürs Neue Jahr, wenn wir uns nimmer sehen.

Kleinhund-Gassigeher: Ja, ähhh, Euch auch. Mir pressierts. Ciao.

Die schwarze Hoffnung: Und einen schönen Gruß! Und alles Gute! Ciaoooo.... Des war aber jetzt schon nett vom Andi, oder?

Frau der schwarzen Hoffnung: Wos?

Die schwarze Hoffnung: Dass er uns so nett 'Frohe Feiertage' gewünscht hat.

Frau der schwarzen Hoffnung: Mhm.

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Eine männliche Gestalt mit langen Haaren in einer Phantasie-Gala-Livree bewegt sich in einer Art Ausdruckstanz kreiselnd über den Residenzplatz. Dabei singt er halblaut vor sich hin.

Der Nichtraucher: Atemlos durch die Nacht, bis ein neuer Tag erwacht. Atemlos, ich bin frei und bald wieder hier dabei.

Die bekannte Unbekannte: Ja, leck mi am Osch, da Nichtraucher, der windige. Wos megst denn Du do? Megst wieder mitspuin?

Der Nichtraucher: Mit Verlaub? Ahhh, jetzt erkenne ich Sie. Frau Marsch-durch-die-Instanzen, Frau Trotz-mir-läufts-doch-super. Haben Sie Ihr oberbayerisches Kaff schon ruiniert, weil sie wieder da sind?

Die bekannte Unbekannte: Dir blos i glei an Marsch, Du Weihnachts-Wichtel, Du windiger. Host Du Dei Quäker-Partei ruiniert, weil's Di bei uns scho wieda rumtreibst?

Der Nichtraucher: Ich habe das Gefühl, man braucht mich hier. Außerdem habe ich morgen ein WG-Casting am Domplatz. 

Die bekannte Unbekannte: Wer soi Di braucha, Frankensteiner?

Der Nichtraucher: Vielleicht kümmere ich mich ein bisschen ums Stadtmarketing.

Die bekannte Unbekannte: Störe meine Kreise nicht, Du Wurm. Sonst friß i Di aufm Kraut.

Der Nichtraucher tanzt von dannen und die bekannte Unbekannte verschwindet in einer Wolke aus Feuer und Rauch.
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Das Bio-Gemüse: Heute back ich, morgen brau ich und übermorgen hol ich mir... Potzblitz, was stinkt hier so? Es riecht nach Schwefel und Haar-Conditioner. Und wer tanzt da um den Residenzbrunnen?

Der Nichtraucher: 2 x 3 macht 4, widdewiddewitt, und 3 macht 9e! Ich mach' mir die Welt, widdewidde, wie sie mir gefällt.

Das Bio-Gemüse: Weh mir. Ist es ein Geist oder ist der Alptraum zurück? 

Der Nichtraucher: Mach Dich locker, Mango. Du hast doch Deinen Versorgungsposten. Die Visionen des Polit-Rebells sind größer als die Beschränktheit Deiner kühnsten Phantasien.

Das Bio-Gemüse: Du Nichts, Du Null, Du Schaumschläger. Wer hat denn dem amerikanischen Präsidenten ausrichten lassen, dass die Stadt Passau das Freihandelsabkommen verhindern wird? Du oder ich?

Der Ober: Do riachts brutal noch Gmias und Haar-Conditioner. Und do vorn streiten zwoa. Hä, Ihr Krisperl. Heats mit dem Gschroa auf, sonst wisch i mit Eich an Rathausplatz auf. Ja leck, da Mango und da Frank von Assisi. Bleibt mir an Weihnachten gar nix erspart?

Der Nichtraucher: Der Friede sei mit Dir, Herr Oberbürger...

Der Ober: Hoits Mei, Langzodada. Ich stelle fest. Zwei Personen einer Splitterpartei lärmen auf einem öffentlichen Platz. Das ist eine nicht angemeldete Versammlung, die ich hiermit auflöse. 

Das Bio-Gemüse: Moment mal. Ein bisschen was habe ich hier auch noch zu...

Der Ober: Hoits Mei, Mango. Du nervst mi 50 Wochen im Jahr. Jetzt hob i amoi a paar Tag das Recht auf an Weihnachtsfrieden. Erst der PiP und dann de zwoa Aushilfs-Frömmler. Wenns so weida machts, gibts über Weihnachten a Ausgangssperre.

Eine hagere Gestalt tritt aus dem Schatten hervor.

Der Watschenmann: So, meine Herren. Das habe ich alles dokumentiert. Alles in Bild und Ton. Einen Bürgermeister, der seinen Amtsmissbrauch zugibt und einen Oberbürgermeister, der Versammlungen auflöst, Ausgangssperren verhängt und offen mit Gewalt droht. Das wird einige Behörden sehr interessieren.

Der Ober: Der geht ma grod no ob. I muass hoam, 's Weihnachtsfassl ozapfa. Servus.

Durch den Auftritt des Watschenmannes empfindet jeder eine spontan-unbehagliche Stimmung.

Alle Personen ab.
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Die Exzellenz: Interessant. Hier riecht es wie in der Kurie.

Der Stellvertreter von der Exzellenz: Entschuldigung, aber hier riecht es nach Gemüse, Haar-Conditioner, Missgunst und Macht. Und ein wenig nach Schwefel.

Die Exzellenz: Eben. Wie in der Kurie. So jetzt geh ich heim und schau, ob mein Personal, ähhh, meine Mitbewohner alles schön hergerichtet haben.

Der Stellvertreter von der Exzellenz: Dominus vobiscum.

Die Exzellenz: Et cum spiritu meo.
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Die Tschärity-Lady: Sag mal, Intendant. Wie kann es sein, dass wir für diese Stadt Unmenschliches leisten und dass uns trotzdem keiner mag?

Der Intendant: Also mich mögen sie. Ich bringe Kultur in dieses kleine, unbedeutende Provinzkaff.

Die Tschärity-Lady: Und ich Glamour! Und die Riekel! Und Nächstenliebe! Jetzt habe ich mich schon dreimal anonym beim Lehrstuhl für Caritaswissenschaften für die Ehrendoktorwürde vorgeschlagen. Nichts.

Der Intendant: Perlen vor die Säue. Jedes Jahr hol ich den Nemec und die Nina Hagen. Anderswo...

Die Tschärity-Lady: Anderswo tritt die in der Lavalampen-Abteilung vom Hornbach auf.

Der Intendant: Anderswo hätte ich schon den kulturellen Ehrenbrief.

Die Tschärity-Lady: Und anderswo hätte man mich sicher gefragt, ob ich zum Stadtrat kandidieren will.

Der Intendant: Dreckskaff.

Die Tschärity-Lady: Barbaren.

Der Intendant: Stößchen.
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Der Nichtraucher bewegt sich immer noch im Ausdruckstanz durch die Altstadt. Er kreiselt vom Seminarbogen Richtung Domplatz und hört plötzlich eine Stimme.

Die Stimme: Hä, Fränki!

Der Nichtraucher blickt zum Dom: Herr?

Die Stimme: Na, rechts.

Der Nichtraucher blickt zum Landratsamt: Landrat Meyer?

Die Stimme: Na, tiefer.

Der Nichtraucher blickt nach unten auf einen Kanaldeckel: Weiche, Satan!

Die Stimme: I bins bloß, der Tölpel.

Der Nichtraucher: Ahh, Servus, Tölpel!

Die Stimme: Jetzt pass auf, Fränki, jetzt erklär i Dir wos. Aber nur weil heit Weihnachten is.

Der Nichtraucher: Jetzt bin ich aber gespannt.

Die Stimme: Gib Obacht. Oiso, Fränki. Du bist gar ned der Bläda. Du nervst zwar manchmal wie die Sau, aber die Blädern san die Andern.

Der Nichtraucher: Ja, vielen Dank auch, aber gehts konkreter?

Die Stimme: Ganz einfach. Du host mit Deim Nichtraucherdings wenigstens wos gschafft. Aber bei uns hier in Passau, do machan sich olle nur immer scheiß-wichtig, aber es passiert nix. Ach... Wos sog i... Eigentlich wird immer olles no schlimmer. Früher hot jeder sei Feindbild ghabt. Heid san olle Freind. Und de, de ned dazua ghean, machan dene, de oschaffan, an Deppn. Aber im Gegensatz zu früher freiwillig und ohne Protest.

Der Nichtraucher: Das war jetzt so a kryptische Aussage, oder?

Die Stimme: Na, des war ganz konkret. Pfiat Di, frohe Weihnachten.

Der Nichtraucher: Pfiat Di. Und danke!

Die Stimme: Passt scho. Und vergiss ned – Du nervst oft wie die Sau.

Vorhang.


15 Kommentare:

Pnp-Leser hat gesagt…

Bravo, auch für den Präsidenten gilt offenbar: Das Beste kommt zum Schluss (des Jahres).

Anonym hat gesagt…

Wo bleibt hier der (gewesene) Geschäftsführer?

Pnp-Leser hat gesagt…

Auch wenn viele noch im weihnachtlichen Koma dahindämmern, etwas mehr an Reaktion auf das überaus gelungene Jahresschlussstück des Präsidenten hätte ich eigentlich schon erwartet. So ein Stück liefert selbst der Präsi nicht jeden Tag.

Ein Untergebener der Exzellenz hat gesagt…

Respekt. Sehr gut!

Hausmeister hat gesagt…

Vielen Dank für das sehr gelungene Stück!

Königstreuer hat gesagt…

Ein Stück, sei es eine Komödie oder eine Posse, lebt von der Überraschung. Das ist hier nicht der Fall. Die Dialoge sind vorhersehbar.
Ich finde das ist alles zu brav. D.h. nicht, dass ich diese Dialoge nicht lustig finde, aber lustig alleine reicht mir nicht. Sie sind gelungen, ohne Zweifel, das sind sie, aber mehr auch nicht.

Anonym hat gesagt…

Ich weiß nicht, lieber Königstreuer. Ein bisschen muss man in der Materie schon drin sein, um alles zu verstehen.
Und die Rolle der bekannten Unbekannten ist nicht nur, was den Namen betrifft, gut geglückt.

Pnp-Leser hat gesagt…

Geht doch.

Cromwell hat gesagt…

Eine Komödie, Posse oder Satire, sehr geehrter Königstreuer, lebt von der genauen Beobachtung und der ebenso genauen Beschreibung. Ich fand den Text sehr gelungen, ja geradezu an Karl Kraus erinnernd. Die letzten Tage am Weihnachtsmarkt.

Anonym hat gesagt…

Herrlich! Jedes Jahr läuft der Präsident zum Jahresende zu Höchstformen auf! Speziell die Person "Dickl" finde ich jedes Jahr extrem treffend gezeichnet. Selbstverständlich auch die anderen.

Königstreuer hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Cromwell, Eine Posse oder Satire lebt eben nicht ausschließlich durch eine genaue Beobachtung, sondern durch Verzerrung, Übertreibung, eigenwillige Interprätationen und dem besonderen Witz. Nun kann man sich fragen, ob die oben erwähnten Personen satirefähig sind. Doch, es gibt Menschen, die können nicht per Satire überzeichnet werden, bei denen muss man ausschließlich die reine Wahrheit schreiben, die ist schon so überzeichnet, dass sie jede Satire in den Schatten stellt. Aber, nix für ungut, wenn dem Präsi mit einer Lobhudelei geholfen ist, dann beteilige ich mich auch mit einem "herrlich".

Anonym hat gesagt…

Ich weiß leider nicht, wovon Posse oder Satire leben. Mir genügt es, dass ich mehrmals schallend gelacht habe und am Ende nachdenklich geworden bin.

Pnp-Leser hat gesagt…

@anonym21.53: Sie sind wohl kein Mensamitglied, sondern nur mit dem so genannten gesunden Menschenverstand ausgestattet.

Cromwell hat gesagt…

@Königstreuer. Die Reibung zwischen genauer Beobachtung und Beschreibung produziert den Witz. Wenns oszilliert, dann passts.

Selbstverständlich lache ich als selbsternannter Intellektueller nicht schallend, sondern gehe zum Schmunzeln in den Keller. Stimme aber Anonym sonst zu.

Anonym hat gesagt…

Als Kommentar für diese Weihnachtsgeschichte kann man ohne Einschränkungen eine Meinung zum "Abhörprotokoll der Weihnachtsfeier des Passauer Stadtrats 2012" zitieren: "Jetzt habe ich es schon fünfmal gelesen und finde es immer noch saulustig".