Samstag, 2. Januar 2021

Der Asylant, Teil 2

Teil 1 lesen Sie unter diesem Beitrag.

1. Januar 2021, 1 Uhr 25. Der Passauer Stadtbrandrat Andreas Dittlmann ist gerade von einem Feuerwehreinsatz zurückgekehrt, als das Mobiltelefon einen anonymen Anruf meldet.

Telefon (spielt ein Lied als Klingelton): "Alarm, es kommt ein Notruf an. Feuerwehrmann Sam ist unser Mann. Ganz egal, was auch passiert, er bleibt ruhig und konzen.."

Dittlmann: Na sauber. "Anonym" mitten in der Nacht. Hallo?

OB: Herr Dittlmann, hallo? Hier ist Dupper.

Dittlmann: Welcher Dupper?

OB (zu sich selbst): Ich habs gwusst, dass mich der gleich wieder nervt. (Zu Dittlmann:) Gute Frage, Herr Dittlmann. Was glauben Sie? Dass Sie in der Silvesternacht um halb zwei Uhr früh der Leiter des Sozialamts Dupper oder vielleicht doch der OB Dupper anruft? Na?

Dittlmann: Dann rufens mich halt bittschön mitten in der Nacht nicht mit "anonym" an. Des wär echt nett. Warum rufens denn überhaupt an? Habens an Zimmerbrand? 112.

OB: Ich rufe Sie in Ihrer Eigenschaft als erfahrener Krisenmanager und Stadtbrand..., ähhh...

Dittlmann: ... dings. 

OB: Egal, als Stadtbranddirektor an.

Dittlmann: Ja, egal. Stadtbrandrat heißts.

OB: Gut, ich merks mir jetzt. Aber wir haben echt andere Sorgen, lieber Herr Stadtbrandrat.

Dittlmann: Ich war gerade im Einsatz. Alle Straßen sind frei, das Rathaus brennt nicht, die Donau hat 4 Meter 25, der Inn 1 Meter 36, im Krankenhaus gibts heute keine akute Verschlechterung der Lage und die Passauer CSU liegt absehbar weiterhin am Boden. Ich wüsste nicht, was wir zwei für gemeinsame Sorgen hätten.

OB: Dann hörens jetzt bitte zu. Mich hat gerade der Söder angerufen.

Dittlmann: Welcher Söder?

OB: Herr Dittlmann, auch wenn Sie sich noch so viel Mühe geben – Sie sind nicht witzig. Also... Mich hat der Ministerpräsident angerufen, weil Donald Trump in Bayern politisches Asyl beantragt hat. Und den Irren will er uns jetzt aufs Auge drücken, weil wir die besten Krisenmanager in Bayern sind. (Pause) Oder – ehrlich gesagt – weil er ihn so weit wie möglich von München weghaben will.

Dittlmann: Eine verrückte Nacht ist das. Mich hat vorher die Bundeskanzlerin angerufen und mich gefragt, ob ich Bundesverkehrsminister werden will. Sachen gibts.

OB (atmet laut und hörbar): Herr Dittlmann, ich hab jetzt nicht die Nerven für Ihr blödes Gschmatz.

Dittlmann: Ich hab zwar gute Nerven, aber nur weil Sie vom Böhmermann oder irgendwem von der heute-show angerufen werden, müssen Sie mir nicht die Nachtruhe stören.

OB: Ich sag das jetzt nur ein einziges Mal. Erstens, es war der Söder. Der hat Sachen gewusst und gesagt, die weiß keiner von diesen Fernsehkasperln. Zweitens ist der Söder demnächst im Rathaus, wo wir jetzt eine Sondersitzung einberufen. Um Aufhebung der Ausgangssperre, Beschlussfähigkeit und den ganzen Mist kümmert sich der Söder per Dekret. Drittens rufen Sie jetzt bitte die Fraktionsvorsitzenden und noch so viele Hanseln, wie Ihnen einfallen, an und beordern sie ins Rathaus. Bürgermeister und SPD mach ich. Die von der CSU sind angeblich schon informiert. Und während Sie das, viertens, tun, fahren Sie gleich mal mit Tatütata ins Rathaus. Bitte, Herr Dittlmann, helfens mir.

Dittlmann: Den Mangold ruf ich nicht an. Außerdem hat der sein Nokia 6310 nachts in der Bleikiste.

OB: Des delegier ich, der kriegt ein Telegramm. Bis gleich.

1. Januar 2021, 2 Uhr 10. Als Oberbürgermeister Jürgen Dupper in die Schrottgasse einbiegt, stehen vorm Haupteingang des Rathauses bereits ein weißer SUV mit eingeschaltetem Blaulicht sowie drei schwarze Limousinen, zwei davon ebenfalls mit Blaulicht. Eine Gruppe von ca. 15 Personen steht flüsternd auf der Straße. Dupper parkt sein Auto und geht auf die Wartenden zu.

OB: Guten Morgen. Dankschön fürs Kommen. Gehen wir nauf.

Söder (aus seinem Wagen steigend): Lieber Herr Dubber, liebe Funktionsträger, liebe Stadträtinnen und Stadträte. Vielen herzlichen Dank schon mal vorweg.

OB: Grüß Gott, Herr Ministerpräsident. Gehen wir nauf.

Die Menge versammelt sich im großen Rathaussaal. Ministerpräsident Söder, OB Dupper, die zahlreichen Bürgermeister und Stadtbrandrat Dittlmann nehmen auf dem Podium Platz. Der Rest verteilt sich auf den Stühlen, während immer wieder Neuankömmlinge den Rathaussaal betreten.

Dittlmann: Ich glaub, heut werden wir zum ersten Mal vollzählig.

Söder (zu Dupper gewandt): Soll ich mich vielleicht noch schnell ins goldene Buch eintragen? Mach ich gern.

OB (winkt ab): Wegen mir nicht.

Dickl: Aber das wär doch eine gute Gelegenheit.

OB: Nein. Keine – Gute – Gelegenheit. Guat is. Herr Ministerpräsident, wenn Sie bitte anfangen würden.

Dickl: Ich schau mal, ob ichs find.

OB (barsch): Hinsetzen!

Söder: Meine sehr verehrten...

Mangold (eilt bei der Tür herein und rennt aufs Podium): Warum werde ich so spät informiert? Das ist doch Absicht.

OB (sieht Mangold mit zusammengekniffenen Augen an und deutet mit dem Zeigefinger zu den Stuhlreihen im Saal): Wenn Sie bitte da unten Platz nehmen wollen, Herr Stadtrat.

Mangold: Und der Ditt...?

OB: Sprech ich so undeutlich? Hinsetzen! Da unten! (Zu Söder:) Bitte, Herr Ministerpräsident.

Söder: Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Stadträtinnen und Stadträte. Sie sind alle bereits über den Grund unseres etwas surrealen Zusammentreffens informiert worden. Der noch amtierende US-Präsident Trump hat in Bayern politisches Asyl beantragt, weil er sich vom neugewählten Präsidenten politisch verfolgt fühlt. Ich habe bereits beim Herrn Oberbürgermeister vorgefühlt, ob denn eine – zumindest vorläufige – Unterbringung von Herrn Trump in Passau denkbar wäre. Selbstverständlich würde Passau im Gegenzug eine Fülle von Ausgleichsleistungen erhalten. Ich denke...

Mangold: Das kommt überhaupt nicht in Frage. Der weltgrößte Klimazerstörer der vergangenen Jahre hat hier bei uns nichts verloren.

Söder (leise zu Dupper): Wer isn er?

OB (halblaut zurück): Ein Stadtrat. Von der ÖDP. 

Söder: ÖDP? Was isn des?

OB: Egal.

Auer: Sagens mir bitte, Herr Oberbürgermeister, dass das nicht Ihr Ernst ist! Sie wollen uns doch nicht den Inbegriff des rassistischen, klimawandelleugnenden, minderheits- und frauenfeindlichen alten weißen Mannes nach Passau holen? (Leise zu sich selbst:) Soiche ham ma hier scho gnua.

Kapfer: Herr Ministerpräsident, was muss ich mir da unter diesen Ausgleichsleistungen vorstellen?

Söder (lächelnd beide Hände hebend): Ich versichere Ihnen, dass da viele Ihrer Wünsche in Erfüllung gehen werden. Da können Sie Ihre Phantasie gaaaanz weit schweifen lassen. Im Übrigen ist ja bekannt, dass ich ein großer Freund einer Uniklinik Bassau, jawoll, und zwar einer Uniklinik Bassau mit allen Schigganen bin.

Flisek (zischt zu Rother): Protokolliert den ganzen Irrsinn eigentlich irgendwer mit?

Rother streckt den Daumen hoch und deutet dann mit demselben auf seine Brust.

Flisek: Jetzt mal eine nicht ganz unberechtigte Frage an die Kolleginnen und Kollegen hier. Sollten wir uns nicht ganz bald – nur für den Fall, dass wir ja sagen – überlegen, wo wir den unterbringen? Den will ja keiner in der Nachbarschaft, geschweige denn im Haus haben.

Söder: Sehr gut. Der Kollege Flisek, wie ich ihn kenne – als scharfsinnigen Pragmaddigger. Reden wir doch mal über die Unterbringung. (Sieht auf die Uhr) Viel Zeit haben wir ja nicht mehr.

Dittlmann: Warum? Haben Sie den unten im Auto sitzen?

Söder: Ha ha, sehr gut, Herr Stadtbrandmeister. Na, des nedd grad. Aber der Präsident landet in wenigen Stunden am Eff Tschej Ess.

Erika: Eff Tschej Ess?

Putzke (den Saal betretend): Franz-Josef-Strauß-Airport. Der Herr Ministerpräsident, hallo Markus, sagt das wohl in Analogie zum, auch im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeten, Kürzel JFK, was ja eigentlich der IATA-Code des großen New Yorker Flughafens ist. Insofern stimmts ja doch wieder nicht, weil der IATA-Code von München eigentlich MUC ist. Hmmm. Vielleicht wollte der Ministerpräsident ja nur seine Weltläufigkeit demonstrieren oder...

Erika: ... er spinnt halt einfach.

Dickl (auf Putzke starrend): Wos, wos... wos will denn der do? (Zu Dupper gewandt:) Der hat hier nix verloren.

OB: Herr Professor Putzke, es wäre mir neu, dass Sie hier in meiner, ähhh, unserer Stadt Stadtrat wären.

Putzke (vergnügt): Herr Oberbürgermeister, jetzt seien Sie mal nicht päpstlicher als der Papst. Gerade beginnt der erste Tag des Jahres. In diesem Jahr kann noch sehr viel passieren. Den Putzke in seinem Lauf halten weder Freund noch Dickl auf.

Söder: Jetzt lassens ihn halt, Herr Dubber. Immerhin ist er ja Kreisvorsitzender der...

OB: Meinetwegen ist er Landesvorsitzender – von was auch immer. Das geht mich nichts an und könnte mir nicht egaler sein.

Söder: Dubber! Der Herr Putzke hat uns aber auch was mitgebracht. Erzähl doch mal, Holm.

Putzke: Genau! Danke, Markus! Während Sie hier alle – wie seit jeher – die Zeit mit sinnlosen Debatten verschwenden, habe ich meine Hausaufgaben gemacht. (Hebt einen dicken Stapel Papier hoch) Hier sehen Sie meine – äußerst brillanten – Vorschläge auf 67 Seiten, wie, wo und zu welchen Bedingungen der demnächst emeritierte US-Präsident Trump in Passau untergebracht werden könnte. Leider hatte ich keine Zeit mehr, das Programm für Sie alle auszudrucken. Sie finden es allerdings bereits auf meiner Facebook- und Instagramseite, die beide – und das sage ich in aller Bescheidenheit – ohnehin einen Besuch wert sind.

Erika: Lauter Narrische. Normalerweise an Silvester, wenn alle bsoffen sind, is's net so schlimm.

Dickl (flüstert vor sich hin): Der blöde Hund stiehlt schon wieder jedem die Schau.

OB: Danke für Ihre Bemühungen, Herr Putzke, ich würde Sie bitten, sich jetzt einfach auch hinzusetzen und sich in üblichem und adäquatem Umfang an der Debatte zu beteiligen. Danke.

Flisek: Ähhh. Da ist jetzt wegen dieser netten Showeinlage eine Kleinigkeit untergegangen. Hab ich das richtig verstanden? Trump landet in wenigen Stunden?

Söder: Exakt, Kollege Flisek, gut aufgepasst – wie immer.

Dittlmann: Und dann? Dann kommt er zu uns und schlaft erst amal bei ... der Erika? Die hat Platz und ein großes Herz.

Erika: Ja, ha ha, bestimmt. I hob am Lukaschenko auch schon absagen müssen, weil alles der Assad reserviert hat.

OB: Soll er halt beim Problembä..., beim Problemlöser schlafen, oder Herr Putzke?

Putzke: Paperlapapp. Lesen Sie einfach mein Papier

Dittlmann: Ich weiß es! Wer hilft selbstlos den Verfolgten, gewährt aus Barmherzigkeit Unterschlupf und hat außerdem noch jede Menge Platz in leerstehenden Luxusimmobilien?

Flisek deutet nach hinten über die Schulter Richtung Dom.

Dittlmann: Genau.

OB: Der Bischof. Markus, Du bist doch der Visitenonkel vom Oster. Ruf den an!

Söder: Was? Was bin ich?

OB: Nicht Sie. Der Sturm Markus, unser Fraktionschef.

Sturm: Und was soll ich dem sagen?

OB: Sagst ihm, dass ein Mann aus bestem Hause in seiner Heimat wegen seiner Überzeugungen politisch verfolgt wird und kurzfristig Schutz und Unterbringung braucht. Ruf an. Gleich!

Markus Sturm geht mit seinem Telefon in den hinteren Teil des Raumes. Nach wenigen Sekunden hört man ihn leise sprechen.

Sturm (laut zum Plenum gewandt): Wie viel Platz der Asylsuchende denn bräuchte?

OB: Irgendwas Großes. Was halt leer steht.

Sturm (nach Rücksprache): Da hamma mehra.

Dittlmann: St. Max oder Pindlhaus. Luxusstandard sollt schon sein.

Sturm (nach Rücksprache): Warum wird er denn politisch verfolgt?

Flisek: Er ist gläubiger Christ, engagiert sich als Lebensschützer, ist gegen Homosexuellenehe, ist für das klassische Familienbild, hält Atheisten für schwere Sünder und hört gerne mitreißenden Predigern zu. Und das ist nur ein Teil seiner wunderbaren Persönlichkeit.

Sturm flüstert drei Minuten ins Telefon und kommt dann strahlend zurück.

Sturm (den rechten Arm hochreißend): Er nimmt ihn.

Alle jubeln.

Sturm: Exzellenz wollte wissen, wer es denn ist. Da hab ich gesagt, das unterliegt noch der Geheimhaltung, aber es wäre ein Mensch, der wegen dem, was er glaubt, verfolgt wird.

Alle jubeln.

Dittlmann: St. Max oder Pindl?

Sturm: Er nimmt ihn erstmal zu sich in die WG auf. Da ist noch was frei.

Alle jubeln.

OB: Handzeichen bitte. (Sieht in die Runde) Ohne Gegenstimme beschlossen. Der Freistaat Bayern, hier vertreten durch Ministerpräsident Markus Söder, kümmert sich um Donald Trump bis zur Ankunft am Passauer Domplatz. Empfang und Übergabe an Bischof Oster organisiert bischöflicher Visitations..., äh, ... dings Markus Sturm. Und noch eine Bitte, Markus und Markus! Ganz wichtig!

Söder: Was denn?

Sturm: Ja?

OB: Erzählts dem Trump nicht, dass der Bischof Katholik ist – die mag er nämlich nicht. Ein gutes Neues Jahr. Die Sitzung ist beendet.



3 Kommentare:

Zukunftsrat hat gesagt…

Danke Herr Präsident.
Ich kann übrigens alles bestätigen, war gerade am Domplatz. Nur ein einziges Polizeiwagerl und der Platz ansonsten menschenleer. War schon beunruhigt wie sehr sich Passau verändert hat, aber jetzt wo ich hier die Erklärung gelesen habe für dieses seltsame Szenario. Ist ja alles gut...

Cromwell hat gesagt…

Stating the obvious: Genial, danke. Gutes Neues.

Anonym hat gesagt…

Das Jahr wäre nicht komplett ohne die präsidentiale Kolumne. Danke!