Dienstag, 23. November 2021

Nil nisi bene

Man vergisst so schnell. Gerade einmal gut zwei Jahre ist es her, da war Armin Dickl noch der Oberbürgermeisterkandidat der Herzen, bevor der Linzer Querschläger daher kam und alles kaputt gemacht hat. Wars das jetzt mit diesem jungen, aufstrebenden Politiktalent fragten sich damals im Sommer 2019 viele Passauer – auch wir – voller Sorge.

Und heute? Armin Dickl hat seine Kritiker souverän eines Besseren belehrt, macht als Bürgermeister überall, wo er hinkommt, bella Figura – sei es bei MiE, wo er wie selbstverständlich "lebende Legenden der Modernen Kunst" kennenlernt oder als "offizieller Vertreter der Stadt Passau bei Kalle Rummenigge" vorbei schaut. Als einziger epidemiologiekundiger Bürgermeister Passaus durfte er in der letzten AmSonntag sogar exklusiv die aktuelle Corona-Lage einschätzen: "Wir können das leider nicht lange halten."

Bei so viel souveräner Leichtigkeit und politischem Erfolg verwundert es nicht, dass ihn Elke Fischer gestern in der PNP noch kurzerhand zum Fraktionschef befördert hat. Möchte man diesem Mann verdenken, dass er nicht mehr die Zeit hat, sich mit Hinz und Kunz fotografieren zu lassen? Wir nicht!

Auch fast in Vergessenheit geraten ist die Sache mit der Max-Matheis-Straße, bei der ja seit Jahren von gewissen Kreisen eine Umbenennung gefordert wird. Ein Nazi sei der "beliebte Heimatschriftsteller" (PNP) gewesen, nur weil er schon 1933 in NSDAP und SA eingetreten ist und überdies seine begeisterte Hitlerverehrung auch literarisch ausgelebt hat. Antisemit war er auch – aber das konnte ja damals im Eifer des Gefechts einmal passieren. Fraktionsübergreifend wurde jetzt beantragt – nein, nicht die Straße umzubenennen – am Straßenschild eine Hinweistafel anbringen zu lassen, mit der "auf die Nähe (...) zum nationalsozialistischen Regime hingewiesen wird." Das ist natürlich eine sehr gute Lösung. Wir stellen es uns vor. Ein Passant, der weder weiß, wer Max Matheis war, noch die Diskussion um die Straßenumbenennung kennt, steht vorm Straßen- nebst Hinweisschild und liest, dass Matheis ein Nazi, Antisemit, Hitlerianer und Kriegspropagandist war. Dann überlegt er kurz und sagt: Und deshalb haben ihm die Passauer eine Straße gewidmet?

Es heißt immer, dass man sich, wenn man älter wird, besser an die Geschichten erinnern kann, die schon Jahre zurückliegen. Bei mir scheint das nicht der Fall zu sein. Viele Artikel habe ich gelesen über den verstorbenen Bischof Schraml – wie volksnah er war, wie beliebt er war, wie vorbildlich er war. Daran kann ich mich tatsächlich nicht mehr erinnern. Vielleicht werde ich alt.



Montag, 8. November 2021

Aktuelle Kolumne aus dem Bürgerblick November 2021

Das wird man doch noch sagen dürfen 

Laut einer repräsentativen Umfrage ist mehr als ein Drittel der Bayern der Meinung, dass „eine Watschn noch keinem Kind geschadet hat.“ So konnte man es vor einiger Zeit unter anderem in der PNP lesen. Unveröffentlicht blieb leider das Ergebnis einer Studie, wonach zwei Drittel der AfD-Wähler der Meinung sind, dass FFF-Aktivisten in ihrer Kindheit zu wenig Watschn bekommen hätten. Weiterhin sind über die Hälfte der derzeit weltweit in Geiselhaft befindlichen Geiseln der festen Überzeugung, ihre Geiselnehmer wollten nur ihr Bestes und es hätte sie noch viel schlimmer treffen können, nahezu alle Mitglieder der Familie Erdogan sich absolut sicher, dass ein Journalist, wenn er die Wahrheit schreibt, ein unbehelligtes und sorgenfreies Leben führen kann und die überwiegende Mehrheit der syrischen Herrscherfamilie weiß genau, dass Giftgas in erster Linie eine Frage der Dosis ist.

Mehr als ein Drittel der Österreicher hat lieber einen Kriminellen als Bundeskanzler als einen Tschuschn oder Krowottn, ein gutes Viertel der Polen ist froh, dass es in Polen kaum Schwule und Neger gibt und eine Mehrheit der Schweizer mag zwar keine Deutschen, weiß aber zu schätzen, dass die deutschen Putzfrauen wenigstens nicht so stark nach Knoblauch oder Wodka stinken. Zwei Drittel der Deutschen außerhalb Bayerns sind der Meinung, dass CSU-Politiker „peinliche Trachtenanzug-Spackos“ sind, könnten sich aber gleichzeitig Markus Söder als Bundeskanzler vorstellen, weil „es jetzt langsam mal wieder Zeit für so einen wie den wird.“ Aktuell wünschen sich übrigens drei Viertel Olaf Scholz als Kanzler. Davon wissen aber 90 Prozent leider nicht genau warum.

Ein Drittel der Bürger im Raum Passau versteht überhaupt nicht, wie es passieren konnte, dass Männer wie Raimund Kneidinger, Josef Heisl jun. oder Armin Dickl Landrat, Bezirksrat und Bürgermeister geworden sind. Nein, das war jetzt ein Scherz, das habe ich erfunden – wahrscheinlich sind es dann doch mehr als ein Drittel. Aber was haben die drei jetzt eigentlich gemeinsam? Nun, sie gehören alle zu einer neuen aufstrebenden Politiker-Generation: Alle drei bei der CSU, alle drei nicht mehr ganz jung, aber noch nicht alt und alle drei frei von erkennbaren Begabungen. Der eine überfordert bis gefährlich in seinem Amt (sperrt in vorauseilendem Gehorsam eine ganze Stadt ein), der andere bedauernswert tölpelhaft (postuliert auf seiner Homepage, dass „Niederbayern weiterhin die Prämienregion [sic!] in Europa bleibt“) und der Dritte lässt sich für eine Handvoll Dollar als Mehrheitsbeschaffer einkaufen und freut sich jeden Tag auf Facebook darüber.

Mehr als ein Drittel aller Passauer kann außerdem Andreas Rother optisch nicht mehr von Jürgen Dupper unterscheiden, was natürlich nur politisch Naive als Zufall ansehen würden. Mimikry heißt das in der Biologie und hat das Ziel, den Signalempfänger zu täuschen. Warum? Na, warten wir mal noch vier Jahre. Raider heißt jetzt Twix – sonst ändert sich nix.

Einer, den vier Drittel aller Zeitungsleser kennen, aber von dem weniger als ein Sechstel weiß, welche Parteizugehörigkeit er aktuell hat, ist Andreas Dittlmann. Gerade ist er – verärgert über ein nicht näher konkretisiertes Kasperltheater – aus der FDP ausgetreten, was von den Passauer Jung- und Altliberalen offiziell bedauert, aber insgeheim auch irgendwie gefeiert wurde. Hätte sonst – ohne eine Meldung über Dittlmanns Austritt – schon einmal irgendwer gehört oder gelesen, dass die Passauer FDP einen Kreisvorsitzenden namens Dr. Sirtl hat? Eben. Sollte der jetzt auch noch die – nicht minder wechselfreudige – Christa Tausch vergrämen, steht er dann zwar noch einmal in der Zeitung, aber das wars dann auch – für Sirtl und die FDP im Passauer Stadtrat ab 2026.

Warum man in der dunklen Jahreszeit den Domplatz meiden sollte, um nicht von den Jüngern der Oster-Bruderschaft zwangsevangelisiert zu werden, erkläre ich Ihnen dann in der nächsten Ausgabe.