Freitag, 31. Dezember 2021

Der Exorzist, Teil 1

31. Dezember 2021, 22 Uhr 35. Der Passauer Oberbürgermeister sitzt entspannt in seinem Oberbürgermeister-Sessel, liest "Warum ich so klug bin" von Friedrich Nietzsche und hört dabei den Triumphmarsch von Verdi, als das Telefon klingelt.

Telefon: Ring, ring.

Dem OB seine Frau: Telefon.

OB (auf die Uhr blickend): Früh heute. Lass' läuten. Irgendwann hab ich auch mal Urlaub.

Telefon: Ring, ring.

Dem OB seine Frau: Ich geh hin.

OB: Wenns der Dittlmann, der Söder, der Putin oder der Dalai Lama sind, bin ich nicht da.

Dem OB seine Frau: Dupper.

Stimme: Grüß Gott, Frau Dupper, entschuldigens die Störung, hier spricht Bürgermeister Dickl. Könnte ich bitte in einer sehr dringenden Angelegenheit den Herrn Oberbürgermeister sprechen?

Dem OB seine Frau: Moment bitte. Jürgen! (kichernd) Der Herr Bürgermeister.

OB: Der Rother? Was will denn der?

Dem OB seine Frau: Nicht der Rother.

OB: Nein bitte, nicht die Erika.

Dem OB seine Frau: Der HERR Bürgermeister Dickl.

OB: Geh weider, jetzt ruaft mi da Bürgermeister-Lehrbua a scho im Urlaub um die Uhrzeit o. Gib her. Dupper, hallo.

Dickl: Bürgermeister Dickl. Servus Jürgen, tut mir wirklich leid die Störung. Aber es ist wichtig.

OB: Des hoff ich dringend für Dich, Achim, dass des wichtig ist.

Dickl: Armin.

OB: Wos?

Dickl: Armin, ich heiß Armin.

OB: Sag ich doch. Also, was gibts?

Dickl: Den Dittlmann habens verhaftet.

OB (lacht laut auf): Hat er an Brand glegt, weil nix passiert is? Oder wen überfahren? Oder oan daschlagen? 

Dickl: Eher letzteres. Aber nur fast. Also eher: geschlagen.

OB (laut): Pass auf, Bürgermeister Dickl und hör genau zua. (Sehr laut:) Ich bin weder ein Freund oder Verwandter vom Dittlmann noch sein Anwalt oder was weiß ich was. Und wenn der Dittlmann in der Todeszelle sitzt, geht mich das auch nichts an.

Dickl: Todeszelle? Gibts bei uns Todeszellen? Ned oder?

OB: Na, nur Gummizellen. Aber zu wenig. Mia san fertig, oder? Schönen Abend, servus.

Dickl: Moment, Moment. Der Dittlmann hat gemeint, Du musst Dir das unbedingt anschauen, was in unserer, äh, Deiner Stadt los ist. Und ich find das auch.

OB: Was ist denn los?

Dickl: Spaziergänger, alles voller Spaziergänger.

OB: Und weiter?

Dickl: Also solche Spaziergänger. Die bösen.

OB: Des Impfgegner-Gschwerl? Unglaublich. Hätt ich nie gedacht, dass der Dittlmann bei sowas mit macht. Alle einsperren, völlig richtig.

Dickl: Im Gegenteil! Der Dittlmann hat zwei von denen eine gschmiert.

OB: Oane gschmiert? Und deswegen habens ihn gleich verhaftet?

Dickl: Na ja, erstens ned so richtig verhaftet, sondern eher erkennungsdienstlich behandelt und zweitens möcht ich vom Dittlmann keine gschmiert kriegen. Die zwei Spaziergänger brauchen jedenfalls an Arzt.

OB: So is' recht. Aber... Was ganz was anderes... Warum verdrischt der Dittlmann neuerdings die Depperten? Also nicht, dass es mich stören tät...

Dickl: Sie haben ihn beim Löschen gestört.

OB: Beim Löschen? Wo brennts denn leicht schon wieder?

Dickl: Am Domplatz.

OB (laut): Um Gottes Willen! Am Domplatz brennts und Du Vollde..., Vollprofi erzählst mir fünf Minuten was vom Dittlmann.

Dickl: Hat gebrannt, nicht schlimm, eher ein Brändchen.

OB: Habens in der Bet-WG wieder mit heißem Wachs rumgespielt?

Dickl: Bet-WG? Ah so, nein. Gegenüber. Bei dene Apostel vom Bischof. 

OB: In der komischen Home Base?

Dickl: Keine Ahnung, wie das heißt. Ich kann kein Latein.

OB: Warum hats denn da brennt?

Dickl: Die haben da so einen Workshop ghabt: Exodus und Flegeleien oder so ähnlich und da ist einer beim Auspeitschen über die Kerzen gefallen. Und dann hat sein Büßerhemd aus Ziegenhaar Feuer gefangen. Kurz drauf hat dann der Vorhang brennt.

OB: Exodus, Auspeitschen, Büßerhemd? Spinnst Du, Achim?

Dickl: Armin. Armin, Jürgen.

OB: Wos?

Dickl: I hoaß Armin.

OB: Sag ich doch.

Dickl: Also noch mal: Exodus und Flegeleien oder Exothermismus und Fraternalismus oder irgend sowas. Is doch a wurscht. 

OB: Jetzt hab ichs kapiert. Exorzismus und Flagellation? Teufelsaustreibung und Selbstgeißelung?

Dickl: Ja, genau. Um sowas ist es gegangen. So mit Teufel und Peitschen. Geil, oder? Wir machen an Silvester immer Bleigießen.

OB: So. Und jetzt sagt mir mein Lieblingsbürgermeister noch, für was er, die Sektierer und der Dittlmann mich da am Domplatz noch brauchen.

Dickl: Vielleicht hab ichs falsch erzählt.

OB: Ah geh.

Dickl: Das Problem sind nicht die die Flatulisten und Extraterrestischen. Das Problem sind die Spaziergänger. Die rotten sich zusammen. In der ganzen Altstadt. Vor allem am Domplatz. 

OB: Ist verboten.

Dickl: Und sie schreien: Dupper muss weg.

OB: Zehn Minuten. (zum OB seiner Frau:) I muaß no amoi naus.

Dem OB seine Frau: Warum?

OB: Sie sind alle so dumm und ich bin ihr Chef.


Lesen Sie in Folge 2: Landet Stadtbranddings Dittlmann in der Todeszelle? Verteilt OB Dupper Watschen am Domplatz? Und: Rettet Bürgermeister Dickl die Welt? 

Fortsetzung folgt.





Freitag, 17. Dezember 2021

Aktuelle Kolumne aus dem Bürgerblick Dezember 2021

Die Sekte ist kein Ponyhof

Im letzten Heft hatte ich angekündigt, aufzuklären, warum man in der dunklen Jahreszeit den Domplatz meiden sollte. Natürlich in erster Linie deshalb, um nicht von einem der – pausenlos Verkaufshütten hin und her transportierenden – schweren LKW überfahren zu werden. Auch nicht ganz ungefährlich werden demnächst allerdings auch die Jünger der von Stefan „Osho“ Oster im Pindl-Haus installierten Jüngerschaftsschule (sic!) namens Home Base. Nach neun Monaten Gehirnwäsche in der Home Base, die die Missionarslehrlinge in guter alter Sektentradition natürlich selbst bezahlen müssen, sollen die Kreuzzügler nämlich dann hinaus in die Welt ziehen und andere labile Wesen evangelisieren und missionieren. Erst Believe and Pay, dann Invade and Pray.

Apropos Sekten. Nicht erst Corona – es ging schon mit der Flüchtlingswelle vor ein paar Jahren los – lässt uns befürchten, dass die deutsche Ponyhof-Ära des beginnenden 21. Jahrhunderts langsam vorbei sein könnte. Die Gesprächs- und Diskussionskultur auf der Straße und im Netz ist total am Boden. Oder um es wieder einmal frei nach Gerhard Polt zu formulieren: Heute gehen Leute demonstrieren und haben ein Facebook-Profil – die hätte man vor ein paar Jahren noch aus dem Bierzelt hinausgeschmissen. Da meine ich jetzt die besonders Blöden, die an die große Verschwörung glauben. Man muss aber aufpassen – sektiererischen Fanatismus findet man schon auch bei denen, die sich für die Guten, Aufgeklärten und Gebildeten halten.

Der Eine beharrt darauf, so oft, so laut und in welchem Kontext auch immer „Neger“ zu sagen – weil das sein Großvater schon so gemacht hat und basta. Der Andere beschwert sich beim Sender, beim Rundfunkrat und bei Amnesty International, weil sich ein Kabarettist das Gesicht schwarz anmalt. Der Eine will das Donaulied singen und nässt sich fast ein vor Lachen, wenn zwei peinliche Männer im Fernsehen über die schärfste Biene im Bundestag fabulieren. Der Andere hyperventiliert, wenn er einen Text ohne Gender-Sternchen lesen muss oder jemand Studenten statt Studierende sagt.

Aber zurück zu den Blöden. Der Dunning-Kruger-Effekt besagt, dass inkompetente Menschen zum einen ihre Inkompetenz nicht erkennen, sich damit andauern selbst überschätzen und zum anderen in Unkenntnis ihrer Defizite bedauerlicherweise auch noch besonders selbstbewusst auftreten. In leichter Sprache: Je dümmer der Mensch ist, desto weniger merkt er es und desto frecher geht er mit seiner Dummheit anderen auf die Nerven. Das wussten wir alle – auch ohne sozialpsychologisch-forscherischen Background – zwar schon immer, aber so offenkundig, massiv und dauerpräsent wie in den sozialen Medien derzeit ließ sich das Phänomen selten beobachten.

Wer ausreichend starke Nerven, eine halbwegs gefestigte Persönlichkeit und ausreichend Masochismus mitbringt, lese sich doch einmal exemplarisch durch die Kommentare der Facebook-Präsenz der Heimatzeitung. Es ist oft schwer zu verstehen, was die Diskutanten ausdrücken wollen, weil sie ihrer Muttersprache nur in bescheidenem Maße mächtig sind, aber ein, leider nicht kleiner, Teil glaubt und publiziert z. B., dass die „Systemmedien“ (also alle außer ein paar Youtube-Kanälen) gesteuert werden von „den Mächtigen“, dass alle Politiker geschmiert werden (von Bill Gates, Biontech oder der Masken-Lobby), dass sich ihr Hausarzt (der immerhin Arzt ist) besser mit Corona auskennt als Wieler (der nur Tierarzt ist), dass man beim Impfen gechipt wird (wenn nicht noch abhängig gemacht) oder dass im eigenen Familien- und Freundeskreis alle, die geimpft wurden, mindestens schwere Nebenwirkungen hatten oder gestorben sind (Letalität im Bayerischen Wald nach Corona-Impfung mindestens 15 Prozent, Quelle: Facebook-Kommentare). Das war jetzt nur ein winzig-kleiner Auszug und wir reden hier von hunderten Kommentaren – pro Tag auf einer Seite.

Ceterum censeo, Facieilibrum esse delendum.