Mittwoch, 18. Juli 2012

Angezeigt und schöngelogen

Lieber Tölpel!

Es gibt Sternstunden des lokalen Boulevard-Journalismus, wo die Zeitungsmacher es schaffen, dass ich einen Artikel nicht nur konzentriert und Wort für Wort durchlese (was selten ist), sondern fast den ganzen Artikel nochmals laut meinem Sonntagsfrühstück-Gegenüber vorlese. Die Lesung wurde letzten Sonntag mehrfach mit "Das erfindest Du jetzt," oder "Das steht da nicht, oder?" bzw. sonstigen Fassungslosigkeits-, Begeisterungs- und Ungläubigkeitszwischenrufen unterbrochen. "Doch," habe ich jedes Mal gejuchzt, gekreischt oder gestammelt, "das steht da genau so!"

Was war passiert? Ein Stadtrat, der den älteren Semestern noch am ehesten als Blumenliebhaber bekannt ist und dessen Stadtratswirken am besten damit beschrieben ist, dass er in Sitzungen sinnlos und ohne Bezug zur Sache, dafür aber eine halbe Ewigkeit herumkrakeelt, während die restlichen Sitzungsteilnehmer im Herumkrakeelten weder Relevanz noch Substanz oder Tenor erkennen können, bewegte sich mit einem Kraftfahrzeug im straßenverkehrsordnungsgeregelten Verkehr. Dort kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Ehepaar aus dem Landkreis.

So weit, so gut, so alltäglich. Außergewöhnlich, befremdlich und doch unterhaltsam wird es erst, wenn sich das sich beleidigt fühlende Ehepaar mit durchaus massiven Vorwürfen an das Sonntagsblatt wendet und der beschuldigte Kommunalpolitiker praktisch all diese Vorwürfe und sogar noch mehr Verfehlungen zugibt. Dies allein wäre schon lustig genug. Zum Brüller wird die Geschichte aber erst durch den Versuch, sich mit einer zurechtgebogenen Sachverhaltsdarstellung, die irgendwo zwischen der Egozentriertheit eines Vorschulkindes und Altersstarrsinn rangiert, zu rechtfertigen.

Der Politiker, der immerhin die Geschicke der Stadt Passau mitbestimmt, gab dem Redakteur (wenn man diesem glauben darf) jedenfalls folgendes zu Protokoll. Er sei bei "Orange" (welche anderen zwei Farben hatte denn die Ampel noch? Braun und Blau?) über die Ampel gefahren. Im übrigen "habe er neulich gelesen," dass man auch bei Rot über die Ampel fahren darf, wenn "man nicht mehr rechtzeitig bremsen kann." Außerdem habe er dem Paar den Vogel gezeigt, was "aber eigentlich sein gutes Recht" sei. Ebenfalls gibt der Stadrat zu, dass er den Kontrahenten als "kleinen Scheißer" bezeichnet habe, was aber keine Beleidigung sei. Eine Beleidigung wäre es nur, wenn er "Was willst du denn, du blöde Sau?", gesagt hätte. Das hat er ja jetzt wenigstens im Sonntagsartikel nachgeholt.

Der Stadtrat Siegfried Heindl ist nämlich nicht auf der Brennsupp'n dahergeschwommen - der weiß, was man darf und was nicht. Ob das die Passauer Verkehrsplaner auch wissen? Dass man nämlich immer brav die Wahrheit sagen muss? "Der neue Geh- und Radfahrertunnel ist ausdrücklich nicht für die Verkehrsführung der Radtouristen gedacht, da diese bekannterweise andere Wege − die andere Tunnelröhre stadtauswärts − benutzen," kann man heute als Darstellung der Stadt Passau der PNP entnehmen. Hat sich das nicht vor einiger Zeit noch ganz anders angehört? Hat man die Donauradwegtouristen nicht sogar ausdrücklich mitgezählt, um die Notwendigkeit des Tunnels zu rechtfertigen? Oder erinnere ich mich da falsch? Ich bitte um Aufklärung.

Wir erinnern uns alle noch an die groteske Berichterstattung der Heimatzeitung zum Thema Fronleichnamsprozession. Da wurde uns vor ein paar Wochen sogar die Ehre angetan und der falsche Tölpel der PNP zitierte wortwörtlich einen Kommentar von Wahlinfo-Passau. Ich habe allerdings fast die Vermutung, dass er sich da drolligerweise selbst zitiert hat. Stimmts? Erwischt, Herr Redakteur?

Ich bin nämlich auch nicht auf der Brennsupp'n dahergeschwommen, gell Tölpelchen.

Deine Kathi

Liebe Kathi!

Ich weiß nicht, wen ich bei diesem Katholiken-gegen-Katholiken-Manager-Streit schräger finde. Die Kritiker, die dem Bischof einen Brief schreiben, in dem steht, dass ihn keiner mag? Den Bischof, den ja scheinbar wirklich keiner mag? Oder die PNP, die alles - wie seit Urzeiten - durch Jubel- oder Nicht-Berichterstattung unter den Teppich kehrt und so tut, als wäre der Bischof ein volksnaher und beliebter Mann? Die Parallelen zum Neuen Deutschland (DDR), zur Prawda (UdSSR) oder zu Rodong Sinmun (Staatszeitung Nordkorea) stellen wir ja immer wieder fest und verwundern mich nicht mehr übermäßig. 

Was aber wollen diese kritischen Katholiken alias "besorgte Christen", die nächsten Samstag am Domplatz demonstrieren? Da macht sich ein Pfarrer strafbar und zwar immerhin wegen Betrugs, wird - wie es wahrscheinlich bei jedem weltlichen Arbeitgeber mindestens auch wäre - versetzt und seine Gemeinde versucht eine kleine Revolution. Sie wollen ihren Pfarrer behalten und nebenbei noch Reformen und mehr Demokratie in der Kirche. Die katholische Kirche ist aber sui generis kein demokratischer Verein. Es würde ja auch kein Mafiamitglied auf die Idee kommen, gegen den Paten zu demonstrieren, um weniger Gewalt und mehr Mitbestimmung zu fordern. Aus der Kirche kann man übrigens - im Gegensatz zur Mafia oder zu Nordkorea - einfach austreten. Kostet 25 Euro.

Schön ist übrigens, dass die Passauer Fußgängerzone eine "Top-Einkaufsadresse" ist. Sagt zumindest die PNP, die wiederum das City-Marketing Passau, das wiederum ein "Immobilieninstitut" zitiert. Was die Passantenfrequenz betrifft, liegt Passau in einer Studie nämlich auf Platz 4 der untersuchten Städte unter 100.000 Einwohner. Frequenz ist gut. Man muss halt irgendwo durch, wenn man zur Stadtgalerie zum Einkaufen oder zum Domplatz zum Demonstrieren will. Vor Passau liegen noch Top-Szene-Cities wie Gießen oder Flensburg. Wer wohl ab Platz 5 folgt? Hof, Hoyerswerda und Salzwedel?

Spaß beiseite. Passau braucht sich wirklich nicht zu verstecken. Passau ist immerhin die einzige Ansiedlung in Niederbayern, die man guten Gewissens als Stadt bezeichnen kann. Klein, aber doch Stadt. Und das auch wegen der Universität und der Studenten. Dass diese Studenten jetzt nicht mehr kämen, wenn wir eine Sperrstunde um zwei Uhr hätten, kann getrost bezweifelt werden. Nach Regensburg wollen sie ja auch. Nerven tun mich übrigens nicht die Studenten, die gerne feiern wollen (das ist völlig normal und legitim), sondern diejenigen, die völlig rücksichtslos und egoistisch erklären, wem der nächtliche Lärm nicht passe, könne ja woanders hinziehen. Und man sollte sich auch nicht von den Partymeile-Wirten verarschen lassen, die erst großspurig eine Security-Regelung angekündigt und dann aus Kostengründen zurückgezogen haben. Das würde nämlich - eine perfekte Umsetzung vorausgesetzt - am meisten helfen.

Wie sagt der New Yorker, wenn er ausdrücken möchte, dass er nicht auf der Brennsupp'n dahergeschwommen ist?

I'm not from Hackensack

Dein Tölpel




8 Kommentare:

Endlich wieder da hat gesagt…

Vollkommen richtig!
Es war genau die von Ihnen genannte Argumentationslinie der Stadtverwaltung und der meisten Fraktionen (außer FDP/PaL), dass der Radfahrtunnel für die Radreisenden donauabwärts benötigt wird. Übrigens gibt es hierzu ein gutes Plakat im Bürgerblick. Trägt eine nicht verkennbare Handschrift...
Mittlerweile haben die damaligen Befürworter wohl gemerkt, dass das ausgesprochener Blödsinn ist. Deswegen kommen sie jetzt mit immer neuen Argumentationen, warum man den Tunnel doch braucht. Jede einzelne irrsinniger und faktisch falscher als die vorherige.
Naja. Hierzu wird es ja noch Raum zur Diskussion beim Bürgerentscheid geben.

Der Heindl tut mir fast ein wenig leid. Da ist er schon mal ehrlich und sagt der AS wie es wirklich war, und dann soll das plötzlich falsch sein. Vermutlich hat er dann nach einem klärenden sonntäglichen Gespräch mit einem
CSU Verkehrsanwalt der PNP eine neue "Interpretation" der Geschehnisse für die Montagsausgabe übermittelt. Da las es sich schon deutlich abgeschwächter. Wir werden sehen.
Diese Vollpfosten aus dem Landkreis fahren aber auch einen Stiefel zusammen, wenn sie schon mal in die Stadt kommen! Aber das werden sich wohl auch die Münchner über die Passauer denken.

Tunnel-Plus hat gesagt…

Es mag sein, dass öffentlich ungeschickterweise zu sehr die Radler als Profiteure des neuen Tunnels genannt wurden. Tatsächlich war das Plus für die Autos ganz weit vorne bei den Befürwortern. Wenn die dann dritte Spur ausreichend lang wäre(da möchte ich mal eine Planung sehen), könnte das sehr erfreuliche Folgen haben. Erfreuliche Folgen für die Landkreis-Nörgler (noch mehr freie Fahrt als ohnehin schon) und erfreuliche Folgen für den Präsidenten (noch weniger Grund für eine Nordtangente als ohnehin schon).

Go, Siegi, go! hat gesagt…

"Orange" als Euphemismus für ein bisschen Rot? Da lachen alle! Dabei wissen keine 5 Prozent der Autofahrer, dass es laut Straßenverkehrsordnung sogar verboten, bei Gelb über die Ampel zu fahren. Nur wird das bei uns nicht geahndet.

Ansonsten: Das Niveau der Einlassungen Herrn Heindls überrascht nicht. Es ist schlicht das Niveau der CSU-Stadträte. Es überrascht jedoch, dass dieser politische Selbstmord in der AS abgedruckt wird. Dennoch mein Appell an Herrn Heindl: Halten Sie durch! Der nächste Nachrücker wäre die personifizierte Niederlage!

Anonym hat gesagt…

"von einem Möbelhaus in der Steinbachstraße" hat der Herr Huber sicher nicht wortwörtlich gesagt. Ich weiß, es ist (mittlerweile) eine Kleinigkeit, ein wörtliches Zitat so hinzubiegen, wie man es braucht, aber auch da zeigt sich der "journalistische" (oder eben auch nicht) Ansatz des Ganzen...

Anonym hat gesagt…

Bauer meinte ich natürlich...

der befürchter hat gesagt…

„Es gibt Sternstunden, … wo …“

Jetzt muss ich doch mal saudumm fragen: Stunde ist Zeitangabe – „wo“ ist auf den Raum, den Ort bezogen. Haben wir hier das Phänomen einer grammatischen Raum-Zeit-Koordinate?

PS: Ich empfehle eine Stiftung ins Leben zu rufen, aus deren Töpfen der juristische Beistand finanziert wird für Stadträte auf Abwegen. Ein (1!) Tollpatsch ist vernachlässigbar (die Hand Gottes). Zwei (2) sind irritierend (drive orange). Drei wären eine Serie mit der Aussicht auf viele Folgen. Die Folgen zeitigen könnten. Und, mentekel, menetekel, sie stehen schon in Lauerstellung, die Dritten …

wahlinfo-passau hat gesagt…

Ich befürchte, lieber Befürchter, Sie müssen den Duden bemühen. Danach ist meine Wo-Verwendung nämlich völlig korrekt. Beispiel Duden: "Der Tag, wo (an dem) er sie das erste Mal sah."

Außerdem: Wir schreiben hier doch eh ein bisschen umgangssprachlich.

der Befürchter hat gesagt…

… wir schon – aber ein Präsi?